Die vorliegende Arbeit widmet sich der gesellschaftlichen Bedeutung und dem emanzipatorischen Potential von trans* Repräsentation im Film. Dabei verwendet sie den Begriff trans* als Sammelbegriff für all jene Menschen, deren Geschlecht nicht oder nur teilweise dem Geschlecht entspricht, welches ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Das Sternchen lässt außerdem Raum für Identitäten und Lebenskonzepte außerhalb der binären Geschlechterordnung wie beispielsweise nicht-binär, genderqueer, genderfluid, intersex. Als Ausgangspunkt der Arbeit fungiert die Figur Brandon Teena im prämierten Film Boys Don’t Cry (1999), der bis heute als einer der einflussreichsten und bedeutendsten Beispiele der trans* Repräsentation im Film gilt. Die Arbeit fußt auf intersektional-queertheoretischer Medien- und Kommunikationsforschung, um der Frage nachzugehen, wie trans* Repräsentationen im Film von einem trans* Publikum gelesen und verstanden werden.
Anhand einer qualitativen Medienrezeptionsanalyse im Rahmen einer Fokusgruppe diskutieren deutsche trans* Personen, welche kulturellen Deutungsmuster die Geschichte Brandon Teenas mit Blick auf die (Re)produktion hegemonialer, heteronormativer Vorstellungen von Zweigeschlechtlichkeit suggeriert und inwiefern es der Narration gelingt, marginalisierende trans* Narrative zu dekonstruieren. Darüber hinaus erarbeiten die Fokusgruppenteilnehmer*innen, welche Identitätsnarrative der Film anbietet – in Bezug auf die Konstruktion ihrer eigenen trans*-Identität, aber auch, auf ihr Selbstverständnis als trans* Individuum. Einerseits bestärkt die Diskussion Forschungserkenntnisse bestehender Analysen des Films, die unter anderem den traumatisierenden Effekt der stereotyp gewaltvollen Darstellung um Brandon Teena kritisieren. Darüber hinaus ist die cis-geschlechtliche Besetzung der Rolle durch die Schauspielerin Hilary Swank ein häufiger Kritikpunkt in der trans*-Community, welcher auch in der Fokusgruppe dezidiert thematisiert wird. Aus der Fokusgruppe geht außerdem hervor, dass die Teilnehmer:innen den plakativen Fokus des Films auf Brandons Äußerlichkeit als problematisch, sowie die Art und Weise, in der er von seinen Mitmenschen dazu gedrängt wird, seine trans* Identität zu offenbaren als triggernd erleben. Dennoch empfinden die Teilnehmer*innen die Normalität von Brandons Beziehung zu Lana Tisdel, sowie die binding und packing Sequenzen als besonders ermutigend. Die Arbeit zeigt somit den wissenschaftlichen Wert einer nuancierten Medienrezeptionsanalyse, die marginalisierte Publika ihre identitätsbezogene Filmrepräsentationen reflektieren lässt, um somit Einblicke in die (Re)produktion von genderspezifischen Gesellschaftsnormen zu erlangen.