transfer 25(4) » Rezeptions- und Wirkungsforschung

Was tun gegen Hass?

Zivilcourage in den digitalen Medien aus Sicht der Nutzer:innen

Neben negativen gesellschaftlichen Auswirkungen führt Hass in digitalen Medien bei Betroffenen häufig zu verheerenden psychischen und körperlichen Beschwerden und stellt somit eine Notsituation für diese dar. Bei der Reduktion der negativen Konsequenzen wird zivilcouragiertem Eingreifen von anderen Nutzer:innen digitaler Medien (Bystandern) eine bedeutende Rolle zugeschrieben. Allerdings verhalten sich diese überwiegend passiv. Bei der Untersuchung, wann Bystander (keine) Zivilcourage leisten, muss der digitale Handlungskontext mitberücksichtigt werden. Während sich der Forschungsstand zu Zivilcourage im Offline-Kontext als sehr ergiebig erweist, wurde Zivilcourage in digitalen Medien als Forschungsgegenstand bislang weitestgehend vernachlässigt.

In dieser Studie sollte daher mittels sechs qualitativer Leitfadeninterviews untersucht werden, was Nutzer:innen digitaler Medien unter Online-Zivilcourage verstehen (Verständnis), wie diese geleistet werden kann (Formen) und welche Einflüsse (Wirkungsmechanismen) sowie Konsequenzen (Folgen) zivilcouragierten Verhaltens sie online wahrnehmen. Die Ergebnisse zeigen, dass zivilcouragiertes Verhalten in digitalen Medien mit weniger Mut, weniger Dringlichkeit, leichterer Umsetzbarkeit, weniger Risiken, aber auch weniger Effektivität verbunden wird. Dabei sind die kontextuellen Besonderheiten digitaler Medien ausschlaggebend für dieses Verständnis. Zu den Formen von Online-Zivilcourage gehören das Melden von Online-Hass (indirekte Intervention), Counterspeech und das private Kontaktieren von Täter:innen und/oder Betroffenen (direkte Interventionen). Insbesondere Counterspeech wird durch ein generell passives Mediennutzungsverhalten und durch die als gering eingeschätzte Effektivität dieser Interventionsform gehemmt. Außerdem wird das explizite Unterlassen von Counterspeech von einigen Befragten als eine Art Medienkompetenz erachtet und vor allem den Plattformen die Verantwortung zur Hilfeleistung zugeschrieben. Aus Sicht der Befragten betreffen positive Folgen von Online-Zivilcourage vor allem zukünftig verstärktes zivilcouragiertes Verhalten und eine zunehmende Reichweite der zivilcouragierten Person in digitalen Medien. Als negative Folge wird vorwiegend das Übergehen von Online-Hass in Angriffe im Offline-Kontext genannt.