Laut dem Hostile-Media-Effekt (HME) nehmen Personen mit ausgeprägtem Standpunkt zu einem kontroversen Thema (partisans) ausgewogene Medieninhalte zu diesem Thema tendenziell als gegen ihre eigene Position verzerrt wahr. Doch inwieweit sind solche Befunde auf die Mediennutzung durchschnittlicher Rezipienten im Alltag übertragbar? Hier erscheint vor allem die Rolle der Selektion interessant. Dies untersucht die Arbeit anhand des Streits um den Bau der Dresdner Waldschlößchenbrücke. Die Probanden (N=242), zum Teil aus Initiativen für oder gegen die Brücke rekrutiert (=partisans), konnten frei wählen, welche Artikel einer Zeitungsdoppelseite sie lesen. Teilnehmer eines Parallelexperiments im „klassischen“ Design lasen hingegen nur einen Artikel der Seite zur Brücke. Durch den Vergleich der Wahrnehmung des Artikels in beiden Gruppen konnte erstmals die Rolle der Selektion beim HME analysiert werden.
Ergebnisse: Der HME im klassischen Design konnte erneut bestätigt werden: Gegner-partisans nahmen einen ausgewogenen Artikel zur Brücke mehr pro Brücke wahr als Befürworter-partisans und vice versa. Für partisans ist der HME auf allen medialen Ebenen (Artikel vs. Berichterstattung) gesichert, für durchschnittliche Rezipienten nur auf Ebene der Wahrnehmung der Berichterstattung. Das klassische Studiendesign mit im Labor vorgegebenen Artikeln ohne Selektionsmöglichkeit begünstigt jedoch die feindliche Wahrnehmung von Artikeln, die bei Möglichkeit zur Selektion so nicht auftritt.
Wahrnehmung von Tendenzen in der Lokalberichterstattung
Überprüfung des Hostile-Media-Phänomens am Thema der Dresdner Waldschlößchenbrücke.