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Wahr-Sager. Die Fact-Checker der Protestbewegung in Chile

Seit Anfang der 2000er hat Fact-Checking sich zu einer internationalen beachteten Bewegung gemausert, mit eigenen Konferenzen, Verträgen mit den Social-Media-Giganten und fast 300 Fact-Checking-Projekten aus 83 Ländern. Doch wer sind die Menschen, die diese neue Art des Journalismus etablieren? Wie arbeiten sie und was hat das mit dem Mediensystem zu tun, in dem sie wirken?
Diese Fragen werden anhand der Fact-Checking-Bewegung in Chile abgearbeitet, die beispielhaft für den globalen Boom steht. Im Angesicht der größten Protestbewegung seit Ende der Pinochet-Diktatur und der massiven Verbreitung von Desinformation über eben diese entstanden in Chile binnen weniger Wochen zahlreiche Fact-Checking-Projekte. Sowohl traditionelle Medienhäuser, als auch Universitäten und unabhängige Journalisten stellten sich der unkontrollierbar wachsenden Desinformation im Internet entgegen und veröffentlichten Überprüfungen viraler Beiträge über ihre Plattformen.

Die vorliegende qualitative Studie befragte die Fact-Checkerinnen in Chile. Dabei leitete ein Kategoriensystem den gesamten Forschungsprozess – vom theoretischen Vorwissen rund um die Fact-Checking-Bewegung, über die Konzeption der Methode („Expertinneninterview“) bis hin zur Auswertung und Analyse der Ergebnisse. Die Untersuchung erfolgte mithilfe der Habitus-Kapital-Theorie von Pierre Bourdieu. Bourdieus Denkwerkzeuge Habitus als „modus operandi“, Habitus als „opus operatum“ und Kapital wurden über verschiedene Kategorien mit Leben gefüllt, um Antworten auf zwei Fragen zu erhalten: Warum werden Journalisten Fact-Checker und wie arbeiten Fact-Checkerinnen in Chile?

Die Masterarbeit zeigt, dass Fact-Checking-Pioniere aus den USA Einfluss auf Faktenchecks in Chile haben. Über ein globales Fact-Checking-Netzwerk haben die US-Pioniere die Methodologie erfunden, nach der sich auch chilenische Faktcheckerinnen richten – und zwar unabhängig davon ob ein traditionelles Medienhaus, eine Universität oder keine Institution hinter ihnen steht. Nur so erhalten unabhängige Fact-Checking-Projekte Zugang zu wichtigen Analysetools der sozialen Netzwerke und können über Verträge mit Facebook und Google ihr wirtschaftliches Überleben sichern.