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Wachhund im Elfenbeinturm

Investigativer Wissenschaftsjournalismus als mögliche Kontrollinstanz des Wissenschaftssystems

Wissenschaftsjournalisten galten bis in die 1990-er Jahre hinein vorwiegend als Übersetzer unverständlicher Fachsprache und Akzeptanzbeschaffer für das Wissenschaftssystem. Erst im vergangenen Jahrzehnt hat sich das Modell des unabhängigen Beobachters herausgebildet, das dem vorherrschenden Paradigma eine journalistische Perspektive entgegensetzt. Doch ein bedeutender Bestandteil der gesellschaftlichen Aufgabe der Medien ist noch immer nicht erforscht: Investigativer Wissenschaftsjournalismus im Sinne einer möglichen Kontrollinstanz des Forschungsbetriebs spielt in Fachliteratur und Praxis bisher nur eine geringe Rolle, obwohl das Wissenschaftssystem zunehmend an gesellschaftlichem Einfluss gewinnt. Um die Ursachen dafür zu ergründen, werden in dieser explorativen Studie zunächst die Selbstkontrollmechanismen des Wissenschafts- und Politiksystems miteinander verglichen.

Dabei zeigt sich, dass die Medien im politischen System eine gesetzlich verankerte Kontrollfunktion wahrnehmen. Im Wissenschaftssystem hingegen bleiben die Medien außen vor. Sie fungieren allenfalls als assistierendes Aufklärungs-, nicht jedoch als Aufdeckungsorgan. In einem interdisziplinären Ansatz wurden zudem 15 Leitfadeninterviews mit Forschern, Wissenschafts- und investigativ arbeitenden Journalisten geführt, deren Einschätzungen anhand von Arbeitshypothesen ausgewertet worden sind.