Die theoretische Basis dieser Arbeit stellt das Konstrukt des kollektiven Gedächtnisses nach Assmann & Assmann dar. Dieses umfasst eine rekonstruierte Geschichte, innerhalb deren Rahmen eigene Erinnerungen integriert werden können. Eine der wichtigsten Funktionen von Erinnerung ist die Bildung einer eigenen oder, im Fall von kollektiver Erinnerung, einer gesellschaftlichen Identität. Den Massenmedien kommt bei der Verbreitung von kollektiven Gedächtnisinhalten eine wichtige Rolle zu, so wird die Konstitution einer gemeinsamen Vergangenheit nur dadurch ermöglicht, dass die Medien verschiedene Versionen der gemeinschaftlichen Vergangenheit speichern und für nachfolgende Generationen abrufbar machen. Sie externalisieren gedächtnisrelevante Informationen, ermöglichen kulturelle Kommunikation und prägen Geschichtsbilder. Betrachtet man die Rolle der Massenmedien in Bezug auf das kollektive Gedächtnis stellt sich die Frage, wie Linksleser, welche im hegemonialen Diskurs kaum Anschluss finden, den medialen Vergangenheitsdiskurs wahrnehmen.
Es wurden im Zeitraum vom 01. bis 20.05.2020 mithilfe eines Leitfadens zwölf individuelle und geschlossene Interviews durchgeführt. Leser linker Zeitungen wurden nach ihren Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg, die DDR sowie nach ihrer europäischen Identität und der Rolle der Massenmedien in Bezug auf deutsche Erinnerungskultur befragt. Die Interviews wurden aufgezeichnet und transkribiert. Im Anschluss wurden deduktive Hypothesen auf der Basis von Kategorien gebildet.
Die politische Identität und der Platz der DDR und des Zweiten Weltkriegs im kollektiven Gedächtnis der Befragten beeinflussen sich gegenseitig. Während die Beschäftigung mit der DDR im heutigen Alltag keinen großen Stellenwert mehr einnimmt, ist die Auseinandersetzung mit dem Zweiten Weltkrieg nach wie vor aktuell und wird als eines der prägenden Vergangenheitselemente wahrgenommen. Das durch die Massenmedien transportierte kulturelle Gedächtnis stimmt mit den eigenen Alltagserinnerungen, der aus der ehemaligen DDR stammenden Befragten, nicht überein. Insgesamt wünschen sich alle Befragten eine differenzierte Erinnerungskultur, die ein allumfassendes Bild der DDR-Vergangenheit zeigt, ohne dabei nostalgisch zu werden. Auf Basis der Nutzung alternativer linker Medienangebote und der Rolle der Massenmedien auf die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg wurde eine Typologie entwickelt. Hierbei konnte ein Zusammenhang zwischen der Nutzung linker alternativer Medienangebote, der politischen Identität und der Kritik am massenmedialen Erinnerungsdiskurs festgestellt werden.