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Verlieren die Massenmedien ihre Integrationsfunktion in Krisenzeiten?

Eine Analyse der gemeinsamen Themenrelevanz und Bewertung der Flüchtlingskrise und Corona-Pandemie

Heutzutage sind die Massenmedien die erste Anlaufstelle, um schnellstmöglich an Informationen zu gelangen. Doch gerade in Krisenzeiten sind Informationen mit einer hohen Dynamik verbunden. Zwei bedeutsame Krisen im 21. Jahrhundert sind die sogenannte ‚Flüchtlingskrise‘ und Corona-Pandemie. Ein großer Unterschied zu bisherigen Krisen stellt die Nutzung des Internets als primäre Informationsquelle dar. Variablen wie die „Filter Bubble“, Algorithmen, „Selective Exposure“, die politische Orientierung oder die Informationsverarbeitung können einen Einfluss auf die Nachrichten haben, die
Rezipient*innen konsumieren. Hieraus ergab sich die zentrale Forschungsfrage, ob die Massenmedien ihre Integrationsfunktion in Krisenzeiten durch die dargestellten Faktoren verlieren. Ziel dieser Arbeit war es anhand aktueller Erkenntnisse die Integrationsfunktion der Massenmedien in Krisenzeiten zu analysieren, unter Einbezug des digitalen Medienkonsums.

Um die Forschungsfrage zu beantworten, wurde in Form einer Literaturarbeit der aktuelle Forschungsstand erarbeitet und es folgte eine kritische Auseinandersetzung und Einordnung der Literatur. Dabei wurde zum einen der Fokus auf die hohe Relevanz der Krise in der Öffentlichkeit gelegt, die mit kommunikationswissenschaftlichen Ansätzen wie Agenda-Setting oder dem Cognitive-Priming-Model analysiert wurde. Zum anderen wurde der Faktor der
Bewertung des Krisenthemas behandelt, der vor allem durch Nutzungsmotive, -verhalten oder die politische Orientierung beeinflusst werden kann.

Unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnisse der Fragmentierungshypothese wurden im Anschluss Ähnlichkeiten und Unterschiede beider Krisen diskutiert. Dabei konnte herausgefunden werden, dass gewisse Gegengruppierungen in beiden Krisen von einer intensiven und langanhaltenden Berichterstattung profitieren können. Außerdem spielt in Gegengruppierungen das Internet eine zentrale Rolle bei der Informationsrezeption, somit werden Ansätze wie „Selective Exposure“ problematisch. Anders war es jedoch in der breiten Masse des deutschen Publikums, denn in beiden Krisen sind die öffentlich-rechtlichen Medien die Hauptinformationsquelle, die mit ihrer, im Grundgesetz verankerten, integrativen Funktion, den gesellschaftlichen Konsens fördern.

So kann angenommen werden, dass die Massenmedien in Krisenzeiten für das breite Publikum eine integrative Funktion einnehmen. Gewisse Subgruppen werden jedoch nicht von der Integrationsfunktion der Massenmedien erreicht und so kann es, unter Umständen, zu einer Polarisierung oder sogar Radikalisierung kommen.