Seit den Juni-Demonstrationen im Jahr 2013 leidet Brasilien unter politischen Spannungen. Die Polarisierung im Land nimmt in den letzten Jahren immer weiter zu und scheint vor den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2022 ihren Höhepunkt erreicht zu haben. Das enge Rennen zwischen den Kandidaten Jair Messias Bolsonaro und Luiz Inácio Lula da Silva entwickelt sich zu einer unglaublichen Schlammschlacht. Die Arbeit untersucht die Twitter-Kommunikation der beiden Spitzenkandidaten im Vorfeld der Präsidentschaftswahl in Brasilien am 2. Oktober 2022 und vor der Stichwahl am 30. Oktober 2022. Die Kommunikation wird auf negative Aussagen im Sinne des Negative Campaigning – also das Hervorheben von negativen Eigenschaften politischer Gegner*innen – untersucht. Hierfür wird eine quantitative Inhaltsanalyse durchgeführt, die alle Tweets der Kandidaten vier Wochen vor dem ersten Wahlgang und vier Wochen vor den Stichwahlen untersucht.
Einige der international beobachteten Ergebnisse zu Negative Campaigning können in der Arbeit reproduziert werden. Zunächst twittern die Kandidaten mehr positive als negative Aussagen. Zweitens steigt die Anzahl negativer Tweets mit der Nähe zu den Wahlen. Drittens sind die meisten negativen Tweets gegen den jeweiligen Hauptgegner gerichtet und viertens erhalten die negativen Tweets mehr Likes und Retweets als die positiven. Ein Aspekt stellt jedoch einen Unterschied im Vergleich zur internationalen Forschung dar: Die Art des Angriffs findet vermehrt auf der persönlichen Ebene und nicht auf der thematischen Ebene statt. Das kann zum Beispiel mit der ausgeprägten Polarisierung, die in der brasilianischen Politik zu beobachten ist, begründet werden. Weitere Gründe sowie Limitationen werden in der Arbeit erläutert.