transfer 11(4) » Rezeptions- und Wirkungsforschung

Tendenzrezeption

Inhaltsanalytisch codierte und subjektiv rezipierte Tendenz von Sachthemen in Printmedien

Ausgehend von Befunden, dass die inhaltsanalytisch erfasste Tendenz von Sachthemen in Artikeln nur wenig Varianz in den Rezipientenurteilen erklärt, wurde der Versuch unternommen, Inhaltsanalyse und Rezeptionsanalyse zu verbinden. Anhand gängiger Informationsverarbeitungstheorien wurde versucht, ein Modell der Tendenzrezeption zu entwickeln. Es wurde angenommen, dass die subjektive Relevanz einer bestimmten Information, also die individuelle Einschätzung ihrer Wichtigkeit, sowie ihre subjektive Wahrscheinlichkeit (Evidenz), das abschließende Urteil maßgeblich bestimmen. Um die möglichen Effekte zu maximieren, wurden ambivalente Artikel als Untersuchungsmaterial ausgewählt. Bei solchen Texten stehen die Valenzen von Teilinformationen in einem Widerspruch zueinander. Die Vermutung war, dass die Rezipienten die Faktoren Relevanz und Evidenz in diesem Fall besonders nutzen, um das Spannungsverhältnis aufzulösen. Die Ergebnisse bestätigen diese Annahmen nur zum Teil. Die untersuchten Evidenzeffekte zeigen teilweise eine Wirkung; der Relevanzeffekt ist sehr gering. Unter einbezogenen Drittvariablen hatte nur das Bedürfnis nach Bewertung (Need to Evaluate) einen positiven Zusammenhang mit der Intensität der abgegeben Urteile. Die Inhaltsanalyse selbst hatte im Rahmen ihres Intersubjektivitätspostulats allerdings zufriedenstellende Ergebnisse.