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Strategien und Interaktionen deutscher Bundestagsabgeordneter auf Instagram

Eine empirisch basierte Typologie des Einsatzes von Instagram in der alltäglichen, politischen Kommunikation

Die Legitimität einer Demokratie erschließt sich darüber, inwiefern sie in der Lage ist, eine politische Öffentlichkeit herzustellen. Je stärker sich die Bedürfnisse der Bevölkerung im politischen Handeln widerspiegeln, desto responsiver kann demokratische Herrschaft bewertet werden. Es besteht also eine kommunikativ und demokratietheoretisch relevante wechselseitige Beziehung zwischen Bevölkerung und Politiker*innen, die von beiden Seiten möglichst in ihrem Interesse beeinflusst werden soll. Digitale Netzwerklogiken verändern diese Beziehung massiv. Durch den Wegfall der vermittelnden Funktion von Massenmedien könnten sich – so die optimistische Sichtweise – dauerhafte, direkte Austauschprozesse zwischen beiden Sphären etablieren. Für Abgeordnete war es noch nie leichter, alltäglich in den Kontakt zu potenziellen Wähler*innen zu treten – während letztere noch nie zielgerichteter ihre Anliegen öffentlich adressieren konnten. Dieser wechselseitige Austauschprozess wird anhand der Kommunikation deutscher Bundestagsabgeordneter auf Instagram betrachtet.

Instagram hat in den letzten Jahren an Bedeutung für die politische Kommunikation gewonnen, die COVID-19-Pandemie hat diese Verlagerung ins Digitale nur beschleunigt. War noch vor wenigen Jahren Facebook die zentrale Plattform für Abgeordnete, greifen sie zunehmend auf den strategischen Einsatz von Instagram zurück. Bislang ist allerdings wenig über den Charakter dieser digitalen Beziehung zwischen Nutzer*innen und Abgeordneten bekannt.

Mittels einer quantitativen Inhaltsanalyse von 700 Instagram-Beiträge kann gezeigt werden, dass die Mehrheit der deutschen Politiker*innen den interaktiven Austausch auf Instagram scheuen, die Plattform vielmehr als strategisches Mittel zur Selbstinszenierung nutzen. Eine darauf aufbauende empirisch basierte Typologie identifiziert vier Typen, welche ihre technisch und inhaltlich vermittelte Interaktivität zusammenfasst und als Anknüpfungspunkt für weitere Forschung dient. Die Kommunikation von Bundestagsabgeordneten via Instagram verharrt demzufolge auf einer personalisierten Inszenierung von parlamentarischem Leben und stellt den Aufbau reziproker, parteipolitischer Netzwerke über den interaktiven Einbezug zivilgesellschaftlicher Kräfte. Das deutet darüber hinaus ein übergeordnetes, demokratietheoretisches Defizit an: Zum einen konzentriert sich ihre Kommunikation auf die parlamentarische, elitäre Sphäre – zum anderen gehen dadurch sensible, responsive Beziehungen zur Bevölkerung verloren.