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Resonanzindustrie

Entwurf eines ideologiekritischen Begriffs zur Analyse der Reproduktion von Entfremdung im digitalen Kapitalismus

Meditations-Apps, Resilienz-Coachings oder Achtsamkeitsratgeber sind Beispiele für eine wachsende Anzahl warenförmig organisierter Angebote, die das Thema medial induzierten Stresses zum Gegenstand ihres Nutzenversprechens machen. Ihr Anspruch besteht darin, diesen Stress durch individuelle Konsumpraktiken zu reduzieren, respektive gänzlich zu eliminieren. Grundlage der ideologiekritischen Auseinandersetzung der Bachelorarbeit mit diesem Gegenwartsphänomen ist die dieser Intention inhärente Aporie, die in das Akkumulationsregime des digitalen Kapitalismus als sozio-ökonomische Bedingung eingebettet ist. Hieraus formiert sich ein ideologischer Komplex, der in dieser Arbeit als Resonanzindustrie theoretisch gefasst wird und der ihr Forschungsinteresse strukturiert. Dieses kulminiert in der Forschungsfrage: „Was kennzeichnet die Resonanzindustrie und inwiefern perpetuiert diese Entfremdung als strukturelles Phänomen im digitalen Kapitalismus“.

Dementsprechend handelt es sich bei dieser Bachelorarbeit um eine Theoriearbeit, die mit den Kategorien der kritischen Theorie arbeitend um die Einführung eines eigenen Begriffs in die theoretische Debatte zur Entfremdung im digitalen Kapitalismus und damit korrespondierende ideologische Bewusstseinsgehalte bemüht ist. Hierfür beginnt die Arbeit mit einer Rekonstruktion der Entfremdungstheorie und reflektiert diese vor dem Hintergrund des digitalen Kapitalismus. Unter Anwendung eines dreidimensionalen Analyserasters (Kommodifizierung, Instrumentalisierung, Entgrenzung), werden die gegenwärtigen digitalkapitalistischen Verhältnisse als Triebkraft des gesellschaftlichen Entfremdungszustands erörtert, um dann durch eine Synthese der Resonanztheorie Rosas und der Kulturindustrietheorie Adornos und Horkheimers, den Widerspruch von Verfügbarkeit und Resonanz auf der Strukturebene anzusiedeln.

Dies mündet in das Theorem der Resonanzindustrie, in welcher das Streben nach Resonanz innerhalb kommodifizierter, instrumentalisierter und entgrenzter Verhältnisse nicht nur individuell, sondern strukturell verzerrt ist. Diese Verzerrungen schlagen sich in einer konsumistischen, optimierungsgetriebenen und individualisierenden Betrachtung von Resonanz nieder. Resonanzindustrie fixiert begrifflich die positive Rückkoppelung dieser Verzerrung an die Aufrechterhaltung ihres eigenen Ursprungs. Hieraus folgt die Reproduktion von Entfremdung als gesellschaftlicher Diagnose innerhalb eines digitalen Kapitalismus, dessen Akkumulationsregime die Bedingungen für Resonanz systematisch versperrt. Anschlusspotenzial bietet die Arbeit als Ausgangspunkt für empirische Untersuchungen des hier theoretisch dargelegten Phänomens.