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Reputation und Quellenzugang

Eine empirische Erhebung über den Zusammenhang von Medienreputation und den Reaktionen der Quellen

Fast jeder Journalist müsste es im Laufe seines Berufslebens schon einmal gehabt haben: das Gefühl, dass Kollegen renommierter und/oder reichweitenstarker Medien bevorzugt behandelt werden. Aber werden nationale Medien wirklich zuerst bedient? Oder erfolgt die Anfragenbearbeitung strikt nach der Reihenfolge des Eingangs?
Die Arbeit untersucht den Zusammenhang zwischen der Reputation eines Mediums und den Reaktionen der Quellen. Hierfür wurden qualitative Leitfadengespräche mit 22 Experten geführt, darunter zehn Quellen (Politiker, Behördenleiter und Pressesprecher) sowie zwölf berufserfahrene Print- und Fernsehjournalisten. Um Erkenntnisse darüber zu gewinnen, ob und wann bestimmte Medien von Auskunft gebenden Personen bevorzugt bzw. benachteiligt werden, wurden die Experten so ausgewählt, dass sie in demselben Kommunikationsraum agieren. Auf diese Weise konnten unterschiedliche Erfahrungen der verschiedenen Journalisten mit derselben Quelle analysiert werden.
Die Ergebnisse der Untersuchung überraschen: Zwar ist es durchaus möglich, dass bestimmte Medien auf Grund ihrer Auflage, Reichweite und/oder Reputation bevorzugt werden, jedoch beeinflussen auch weitere Faktoren das Verhalten der Quelle: Umfang und Platzierung der Beiträge, politisches und persönliches Nahestehen, Genre, Mediengattung sowie die individuellen Ziele der Quelle. Vor allem aber der Journalist selbst, durch seine Persönlichkeit und Arbeitsweise, beeinflusst maßgeblich die Auskunftsbereitschaft.