Die 1976 von George Gerbner postulierte Kultivierungshypothese besagt in ihrem Grundsatz, dass Menschen, die sich verstärkt dem Medium Fernsehen zuwenden, eher ihre reale (Um)Welt entsprechend der immer wiederkehrenden, einheitlichen TV-Botschaften wahrnehmen. Schon früh wurde angenommen, dass diese Wirkung durch diverse Faktoren moderiert wird, so auch durch die vom Zuschauer wahrgenommene Realitätsnähe der Sendungen, der ‚Perceived Reality‘ (PR). Es scheint naheliegend, dass die Wirkung auf den Zuschauer umso stärker ist, je eher er das Gezeigte für ‚real‘ hält. In Hinblick auf das immer populärere Genre Reality TV und seiner jüngsten Entwicklungsform, dem Scripted Reality TV, das bewusst die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwinden lässt und auf die Präsentation überspitzter Charaktere, Stereotypen und stark dramatisierter Konfliktsituationen setzt, scheint eine erneute Betrachtung des Zusammenhangs zwischen Kultivierungseffekten und PR unabdingbar. Dazu wurde eine Meta-Analyse sämtlicher empirischer Studien der vergangenen fast 40 Jahre zum genannten Zusammenhang angefertigt. Es zeigte sich dabei, dass die konkrete Rolle der PR in Bezug auf Kultivierungseffekte auch heute noch weitestgehend ungeklärt ist. Die inkonsistente Befundlage lässt einzig die Vermutung zu, dass die Wirkung auf den Zuschauer weniger von einer Unterscheidung in faktisch/ fiktiv, sondern vielmehr von Faktoren des Rezeptionserlebens wie der ‚Transportation‘ in das Gesehene abhängig ist.
Perceived Reality und Kultivierungseffekte
Spielt es für die Wirkung auf den Zuschauer eine Rolle, ob er TV-Inhalte für ‚real‘ hält?