Europäische Identität wird als Antwort auf die gegenwärtige Legitimationskrise der Europäischen Union (EU) diskutiert. Nationale Medienöffentlichkeiten nehmen dabei wesentliche Lenkungswirkungen auf die Formierung europäischer Identitätsbildungsprozesse. Doch welche europäischen Identitätsbilder eröffnen Journalist*innen als tatsächliche Produzenten der Nachrichtenberichterstattung und unter welchen Bedingungen spannen Medienschaffende europäische Identitätskonstruktionen auf? Die Arbeit untersucht am Beispiel des Konflikts um die Einführung der europäischen Digitalsteuer als innereuropäische Konfliktlage und am Beispiel des Handelskonflikts zwischen der EU und den USA als europäische Konfliktlage mit einem Drittstaat die Mediendiskurse von meinungsbetonten Pressekommentaren und von tatsachenbetonten Nachrichtenagenturmeldungen. Mit Hilfe einer qualitativen Frame-Analyse werden die Konfliktrahmen rekonstruiert und entlang dieser die europäischen Identitätskonstruktionen erfasst.
Es zeigt sich, dass im Meinungsjournalismus im Vergleich zum Tatsachenjournalismus eine Forcierung an Identitätspostulaten vorgenommen wird, die in Abhängigkeit der Bedrohungswahrnehmung des Konflikts divergierende europäische Identitätskonstruktionen zutage treten lassen. Während beim innereuropäischen Konflikt die EU als Zusammenschluss der EU-Länder gedeutet wird und Identitätsnarrative Verankerung finden, die dieses europäische Identitätsbild konterkarieren, fungiert der Konflikt mit dem Drittstaat als Triebfeder für die Herausbildung europäischer Identitätskonstruktionen, bei denen durch vielschichtige Identitätsaxiome die EU als geschlossene Einheit dargestellt wird. Im Zuge wirtschaftlicher Ausgestaltungen nimmt Deutschland bei beiden Konfliktlagen die Funktion eines Referenzobjekts ein.