Diese Literaturstudie versucht das sozialpsychologische Phänomen der öffentlichen Meinung im Sinne sozialer Kontrolle – hier anhand des Werkes von Marcus Tullius Cicero – am Beispiel der Römischen Republik zu untersuchen. Cicero äußert sich detailliert und sachkundig zu den wesentlichen Aspekten der Theorie nach Noelle-Neumann: Ob brieflich, privat oder als Philosoph und Schriftsteller, ob als Redner und Rhetoriktheoretiker oder Politiker, er offenbart eine profunde Kenntnis der sozialen Natur des Menschen, seines Strebens nach Vergesellschaftung und der menschlichen Kommunikation. Er offeriert Einblicke in sein Wissen über die öffentliche Meinung und andere publizistikwissenschaftlich relevante Bereiche wie etwa die Wahlkampf- oder Persuasionsforschung. Vor dem Hintergrund einer z.T. von Emotion und Manipulierbarkeit gekennzeichneten Vorstellung von Meinungsbildung stellen sich u.a. existimatio, iudicum und opinio als jene sozialpsychologische Form öffentlicher Meinung heraus, wie sie der Arbeit theoretisch zugrundeliegt: Cicero kennt das menschliche Konformitätsstreben, die Furcht vor Isolation und Schande. Er weiß um die integrationsstiftende Kraft des öffentlichen Urteils, seine Macht über den Einzelnen wie über Regierungen. Als außerinstitutionelles Reglement wirkt seine öffentliche Meinung durch den einschüchternden Eindruck von Mehrheiten, allgemeingültigen Ansichten, Traditionen und fest im kollektiven Bewusstsein verankerte Sittenvorschriften.