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„No Sacrifice Too Great“

Musikwissenschaftliche Analyse von Marschmusik in Shootern als Teil des Hurra-Patriotismus-Narrativs

Viele Shooter sind mit Soundtrackmusik unterlegt, die in ereignisreichen Episoden aus epischer Marschmusik besteht oder marschähnliche Züge besitzt. Der Gestus der Soundtrackmusik, die vor allem in Weltkriegs-Shootern oftmals zum Einsatz kommt, entfaltet weniger eine aggressionsfördernde bzw. gewaltverherrlichende Wirkung, sondern vermittelt eher semantische Implikationen, also indirekt vermittelte Werte. Aus kommunikations- und musikwissenschaftlicher Perspektive untersucht die Arbeit, wie kongruente Soundtrackmusik in erfolgreichen Videospiel-Titeln im Bereich der WWII-Shooter und anderen Shootern im Zusammenhang mit spannenden Episoden im Detail gestaltet ist. Der Fokus liegt insbesondere auf der emotionalen und kognitiven Aufladung der Marschmusik mit heldentümlichen und patriotischen Elementen, die das Unterhaltungserleben der Spieler*innen nach aktuellem Forschungsstand steigern können. In diesem Zuge wird ebenfalls analysiert, wie sich eine derartige semantische Aufladung auf langfristige Sicht in Form eines Freund-oder-Feind-Denkens bei den Spieler*innen auswirken kann.

Anhand der musikwissenschaftlichen Analyse von vier Spielausschnitten zeigt sich, dass die non-diegetische Musik zu großen Teilen auf typische Elemente eines Militär-Marsches zurückgreift: eine energische Rhythmik in einem geradlinigen Takt, perkussive Instrumente sowie die Übernahme der Hauptmelodie durch Melodieinstrumente bzw. durch einen Männerchor. Nach Rückgriff auf die Musikpsychologie und der historischen Musikwissenschaft argumentiert diese Arbeit, dass solche musikalischen Eigenschaften nicht nur positive bzw. patriotische Emotionen hervorrufen, sondern anhand der Funktionen von Marschmusik auch militärische Konnotationen bzw. Implikationen heroischer Macht und Überlegenheit kommunizieren.

Aufgrund der heroischen, hypermaskulinen und patriotischen semantischen Implikationen ermöglicht die verwendete kongruente Soundtrackmusik in Form von Marschmusik bzw. marschähnlicher Musik nicht nur intensivere Emotionen des Heldentums und Militarismus, sondern auch stärkere Effekte des Präsenzerlebens der Videospielwelt und der Identifikation mit dem Spiele-Avatar. Dies führt zu der Annahme, dass durch die immersionssteigernde Wirkung der Musik der Kampf gegen die feindlichen Soldaten noch intensiver verarbeitet wird. Durch die Verstärkung dieser drei Variablen ist der Einsatz treibender Marschmusik in erlebnisintensiven Episoden somit vermutlich in der Lage, das Unterhaltungserleben der Spieler*innen stark positiv zu beeinflussen. Gleichzeitig lässt die hohe Kongruenz von episch-martialischer Soundtrackmusik in gewalthaltigen Episoden eine langfristige Übernahme von kriegsbefürwortenden Denkmustern erwarten, da die verwendete Marschmusik die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verschwimmen lässt. Am Ende der Arbeit werden die Ergebnisse hinsichtlich möglicher Limitationen diskutiert und weiterführende Forschungsmöglichkeiten benannt.