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Musikkritik im Lichte der Utopie

Beschreibung des gesellschaftlichen und ästhetischen Handlungsrahmens der Musikkritik mit Bezug auf Theodor W. Adorno

Als Basis zur kritischen Auseinandersetzung mit dem journalistischen Genre Musikkritik dient hier die Ästhetik Adornos. Ein ganz zentrales Motiv der Philosophie Adornos, nämlich der enge Zusammenhang zwischen ästhetischer Erfahrung und gesellschaftlicher Erkenntnis, wird in seiner Bedeutung für die Musikkritik untersucht.
Musik erreicht im Sinne Adornos ihr höchstes Potenzial nicht durch ihre Schönheit, sondern genau dann, wenn sie Ausdruck der gesellschaftlichen Realität wird. Kunstverstehen bedeutet bei Adorno demnach zweierlei: Ästhetische Kritik üben – die traditionelle Aufgabe des Kritikers – und gesellschaftliche Kritik üben. Die Fähigkeit zur kritischen Musikrezeption geht mit der Fähigkeit zur Wahrnehmung feiner gesellschaftlicher Nuancen einher. Der Musikkritiker trägt in diesem Sinne als Vermittler zwischen Musik und Hörer gesellschaftliche Verantwortung.
Durch den starken Zusammenhang von Musik, Medien und Marketing in unserer Zeit ist es für den Musikrezipienten nicht leicht, sich seine autonome Urteilskraft in ästhetischen Belangen zu bewahren. Hier kann der Kritiker den Hörer dabei unterstützen, ein kritisches Ohr gegenüber dem musikalischen Überangebot zu entwickeln.
Der Musikkritiker sollte demnach seine Aufgabe darin sehen, die Fähigkeit des Hörers zu autonomer ästhetischer Erfahrung zu fördern, indem er das Spannungsverhältnis zwischen ästhetischem Anspruch und gesellschaftlicher Realität für ihn aufbereitet.