Der Krimkrieg (1853-1856) gilt als Geburtsstunde des Kriegsjournalismus. Zum ersten Mal hatte die britische Presse hier durch freie Korrespondenten und neue Technologien wie den Telegraphen Zugriff auf unabhängige Informationen direkt von der Front. Die Berichterstattung äußerte sich kritisch zu den hohen Verlusten und Versorgungsproblemen der britischen Truppen, was einen breiten öffentlichen Diskurs anstieß. Da dies wohl sogar zum Sturz der Londoner Regierung beitrug, liefert dieser „erste Medienkrieg“ eine Fallstudie für das Zusammenspiel von Medien, Technologie und Konflikt.
Die vorliegende Arbeit untersuchte 44 zeitgenössische Zeitungsartikel über den Krimkrieg im Rahmen einer qualitative Inhaltsanalyse. Dabei wurde zunächst der historische Forschungsstand in kommunikationswissenschaftliche Theorien eingebettet, um hieraus Kategorien für das empirische Vorgehen abzuleiten. So legte die Anwendung eines Rahmenmodells zur Rolle von Medien in Konflikten (Baden & Meyer 2018) nahe, dass Frames von Klasse und Nation im Diskurs besonders relevant waren. Außerdem war die Öffentlichkeit durch eine frühe Medialisierung und fortschreitenden Medienwandel geprägt, deren zeitgenössische Wahrnehmung erhoben wurde.
Aus der Analyse ergab sich, dass sich die Frames auf einen spezifischen journalistischen Stil stützten. Hier wurde aus der Mikroperspektive über das Erleben des einfachen Soldaten und die Schattenseiten des Krieges berichtet. Erst diese Schilderungen verliehen elitenkritischen Frames Nachdruck, da sie die Konsequenzen der Verfehlungen der Führung verdeutlichten. Im weiteren Verlauf des Krieges polemisierte sich der Diskurs zunehmend und ungeachtet der eingeschränkten Pressefreiheit wurden auch Angehörige der Aristokratie teils heftig verunglimpft. Im Gegensatz dazu wurde der leidensbereite Soldat zum Helden erklärt. Seine Anonymität machte ihn zur Identifikationsfigur für die ganze Nation. Neben solchen integrativen Elementen äußerte sich Nationalismus in der Exklusion. Die russischen Feinde wurden teils dämonisiert und auch bei den positiver dargestellten Verbündeten neigte man zur Stereotypisierung. Medialisierung äußerte sich im zunehmenden Selbstbewusstsein der Presse. Sie forderte nachdrücklich den Zugang zu neuen gesellschaftlichen Bereichen und diskreditierte unkooperative Akteure. Dies äußerte sich besonders im technischen Diskurs über die neu aufkommende Telegraphie, die die Zeitungen in ihre Berichterstattung integrieren wollten. Medienwandel vollzog sich aber auch innerhalb der Presse, als immer mehr Menschen über Leserbriefe am öffentlichen Diskurs teilnahmen.