transfer 26(4) » Rezeptions- und Wirkungsforschung

Medien und die „Richter ohne Robe“

Zum Einfluss der Berichterstattung auf Schöff:innen an Landgerichten

„Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil“ – mit dieser Eingangsformel wird in der Bundesrepublik Deutschland tagtäglich Recht gesprochen. Nach Art. 20 Abs. 2 des Grundgesetzes geht alle Staatsgewalt vom Volke aus, die insbesondere durch die Rechtsprechung ausgeübt wird. Eine personelle Umsetzung dieses Grundsatzes findet mit den sogenannten Schöff:innen statt, die im Rahmen von Kollegialgerichten gemeinsam mit Berufsrichter:innen Recht sprechen. Jenen Laienrichter:innen kommt somit eine große Verantwortung zu, da sie gleichermaßen zur Unabhängigkeit verpflichtet sind. Vor dem Hintergrund der Medialisierung gesellschaftlicher Teilbereiche ist jedoch anzunehmen, dass auch das Justizsystem vor Medieneffekten nicht gefeit ist. In Anbetracht dessen hat sich die Kommunikationswissenschaft bereits mit den medialen Einwirkungen auf Berufsrichter:innen beschäftigt. Potenzielle Medieneffekte auf ehrenamtliche Richter:innen sind in der deutschsprachigen Forschung jedoch bislang unberücksichtigt geblieben, weshalb im Zuge dieser Bachelorarbeit der Einfluss der Medienberichterstattung auf Laienrichter:innen exploriert wurde. Insgesamt wurden elf leitfadengestützte Interviews mit Schöff:innen an bundesdeutschen Landgerichten geführt und vor Kepplingers Konzept der reziproken Effekte analysiert.

Die Auswertung hat gezeigt, dass Medien in Form von pro-, inter- und reaktiven Effekten auf die Befragten einwirken: So berücksichtigen Schöff:innen die möglichen Reaktionen ihres Urteils in der Öffentlichkeit, bedenken ihr Auftreten bei der Anwesenheit von Medienvertreter:innen im Gerichtssaal und reagieren in unterschiedlichem Maße emotional auf negativ wahrgenommene Medienberichte. Für die elf Schöff:innen ließen sich die beobachteten Effekte insbesondere mit der Wahrnehmung der Relevanz von Medien, ihrem Nutzungsverhalten, der Bewertung von Inhalten, individuellen Umständen und Eigenschaften, Fallspezifika sowie dem jeweiligen Rollenverständnis erklären. Darüber hinaus konnte auch ein Third-Person-Effekt bei den Befragten konstatiert werden. Bei der Formulierung von Wirkungsvermutungen nehmen Laienrichter:innen schließlich einen stärkeren Effekt auf andere an und inkludieren dabei ihre eigenen Schöffenkolleg:innen, wobei sie einen Einfluss auf die eigene Person negieren. Die Arbeit verdeutlicht schließlich den weiteren Forschungsbedarf hinsichtlich des Medieneinflusses auf Laienrichter:innen in der Bundesrepublik Deutschland.