Die Frage, ob es sich bei Emmanuel Macron um einen Populisten handelt, scheint brisant und bisher ungeklärt: Einerseits gilt der französische Präsident als Gegenpol zu der rechtsnationalen Marine Le Pen, andererseits vertritt auch er vermeintlich populistische Ziele wie einen Bruch mit dem bisherigen Parteiensystem – und bezeichnet sich sogar selbst als Populisten.
Die vorliegende Arbeit untersucht anhand einer qualitativen Inhaltsanalyse, welche Muster populistischer Kommunikation sich bei Macron finden lassen und inwiefern sich diese im Laufe der Zeit verändert haben. In Anlehnung an Jagers und Walgrave (2007) wird Populismus dabei als Form von Kommunikation verstanden, die drei Merkmale aufweist: Volksbezug, Anti-Elitarismus und Exklusion einer Outgroup. Die Untersuchungsbasis bilden 14 Reden Macrons. Um einen Zeitvergleich zu ermöglichen, werden Reden aus vier Phasen seiner politischen Karriere untersucht: aus dem Wahlkampf, der frühen Amtszeit, aus der Zeit der Gelbwesten und der Coronakrise.
Insgesamt zeigt die Auswertung ein widersprüchliches Bild: Während Macron in manchen Textpassagen eindeutig populistische Kommunikationsmuster verwendet, widersprechen andere Textstellen den Merkmalen populistischer Kommunikation. So nimmt er zum Beispiel immer wieder Bezug aufs Volk, lobt es – beschreibt die Bürger:innen aber nicht als homogene Gruppe, sondern als Zusammenschluss unterschiedlichster Individuen. Im Diskussionsteil der Arbeit wird deshalb die Frage aufgeworfen, ob sich Macrons Kommunikationsstil als „inklusiver Populismus“ bezeichnen ließe – oder ob sich diese Form von Inklusion und Populismus ausschließen.
In Bezug auf die Veränderung der von Macron verwendeten Muster populistischer Kommunikation zeigt die Analyse: Anders als erwartet führt der Amtsantritt Macrons nicht zu einem abrupten Wechsel des Kommunikationsstils. Macron verwendet in allen untersuchten Phasen Muster populistischer Kommunikation, scheint diese allerdings je nach Anlass anzupassen. Es wird daher vermutet, dass die populistische Rhetorik Macrons nicht unbedingt Ausdruck ideologischer Überzeugungen ist, sondern vielmehr eine Kommunikationsstrategie, die der Politiker je nach Kontext unterschiedlich einsetzt.