Eine kommunikationswissenschaftliche Perspektive auf das außergewöhnliche Phänomen der Free and Open Source Software (FOSS) kann einen wesentlichen Erklärungsbeitrag leisten, um soziale Dynamiken und deren Bedeutung hinsichtlich des Medien- bzw. Softwareproduktes in FOSS-Gemeinschaften besser verstehen zu können. Im Gegenzug wird auch deutlich, dass der Ausdruck sozialer Interaktionen der FOSS-Teilnehmer:innen und das Untersuchen von Social-Coding-Plattformen eine wichtige Perspektive für die Kommunikationswissenschaft sein kann, um das Verständnis der variantenreichen und komplexen öffentlichen Kommunikation im Internet verbessern zu können.
Als Fallbeispiel wird die Corona Warn App (CWA) untersucht, welche ein von öffentlicher Hand in Auftrag gegebenes FOSS-Projekt mit Pioniercharakter ist und das aufgrund der Möglichkeiten hinsichtlich der Pandemiebekämpfung von großem öffentlichen Interesse ist. Als theoretischer Zugang werden zwei akteurstheoretische kommunikationswissenschaftliche Perspektiven eingenommen. Einmal die Theorie der dynamischen Netzwerköffentlichkeit (Neuberger, 2014) und der Ansatz der kommunikativen Figuration (Hepp & Hasebrink, 2014a, 2014b, 2017). So stehen Interaktionsmodi von durch Verlinkungspraktiken gerahmten Akteur:innenkonstellationen im Mittelpunkt der Forschungsfragen.
In einem Mixed-Methods Design werden zunächst durch eine quantitative soziale Netzwerkanalyse unterschiedliche Typen gerahmte Akteur:innenkonstellationen, bestehend aus zusammenhängenden Issues und Pull-Requests, gebildet. Anschließend werden einzelne Konstellationen ausgewählt und qualitativ hinsichtlich Interaktionsmodi und Rollen vermittelnder Dritte untersucht. Es konnten vier unterschiedliche Typen an Akteur:innenkonstellationen identifiziert werden. Die Komplexität nimmt über diese Typen hinweg zu. Bei der qualitativen Analyse können die drei idealtypischen Interaktionsmodi, Konflikt, Konkurrenz und Kooperation, identifiziert und die Übergänge zwischen diesen beschrieben werden. Außerdem wurden Rollen von vermittelnden Dritten identifiziert, die die Kooperation begünstigen oder in Konfliktfällen richten. Es wurde in dieser Arbeit aber auch deutlich, dass Transparenz zu gewährleisten eine große zentrale Herausforderung ist und auf die bürgerliche Beteiligung angewiesen ist.
Von Kommunikationsprozessen aus FOSS-Projekten kann gelernt werden, wie Communitymitglieder und Freiwillige, die durch ihre Kooperation Transparenz herstellen, einbindet, um Transparenz zu stärken. Die Arbeit lädt dazu ein, FOSS-Gemeinschaften aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive auch in Zukunft zu untersuchen.