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Jung und ostdeutsch

Die Netflix-Serie KLEO und die Identitätsarbeit der Nachwendegeneration

Die DDR-Erinnerungskultur in deutschsprachigen Filmen war in den letzten Jahrzehnten vor allem von grauen Stasi-Narrativen geprägt. Doch zuletzt zeigt sich ein Trend hin zu DDR-Darstellungen, in denen auch positiv konnotierte Held*innenfiguren auftauchen. Ein Beispiel hierfür scheint die 2022 erschienene Netflix-Serie KLEO zu sein, welche die fiktive Geschichte einer jungen Stasi-Killerin mit auffällig bunter Mise-en-scène und 80er-Jahre-Popmusik inszeniert. In dieser Machart folgt die Serie dem Stil der jüngeren Zielgruppe 16–35-Jähriger. Ostdeutsche dieser Generation haben die DDR selbst kaum mehr erlebt. Nichtsdestotrotz identifiziert sich ein Großteil von ihnen als ostdeutsch. Ausgehend von diesen Beobachtungen fragt die vorliegende Arbeit, welchen Einfluss die Serie KLEO auf die Erinnerungskultur ihrer Zielgruppe hat.

Der theoretische Hintergrund stützt sich auf eine Kombination aus Foucaults Diskurstheorie und der Theorie des kollektiven Gedächtnisses nach Assmann und Assmann. Mit Hilfe von drei Gruppendiskussionen mit insgesamt zehn zwischen 1988 und 2000 geborenen ostdeutschen Rezipient*innen der Serie wurden die verschiedenen Lesarten von KLEO diskutiert, um zu verstehen, welche Identitätsanker die Serie bietet. Darüber hinaus wurde ein Experteninterview mit einem der „Showrunner“ der Serie geführt, um die Produktionshintergründe miteinzubeziehen.

Die Ergebnisse der anschließenden qualitativen Auswertung ergaben, dass die Serie die jungen Ostdeutschen dazu anregt, die eigene Ostidentität weiter auszudifferenzieren. Hierbei ließen sich zwei Typen identifizieren: Die Bestätigenden finden in KLEO Identitätsanker für die eigene Ostidentität und bewerten die Serie insgesamt positiv. Die Kritischen hingegen lehnen das in KLEO dargestellte Bild der DDR ab, welche aus ihrer Sicht lediglich als stereotypisierte Staffage für die actionreiche Handlung genutzt wird. Die verschiedenen Lesarten der Serie begründen die Teilnehmenden mit ihren persönlichen Erfahrungen und familiären Erinnerungen an die DDR-Vergangenheit. Dabei diente die Serie den Teilnehmenden beider Typen als Medium zur Tradierung der individuellen Perspektive auf den DDR-Erinnerungsdiskurs sowie der eigenen Ostidentität.