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Journalisten in Kolumbien

Arbeitsbedingungen und Selbstverständnis

Seit den achtziger Jahren findet sich Kolumbien in einschlägigen Statistiken regelmäßig in der Gruppe der Länder mit den meisten Morden an Journalisten. Der Krieg zwischen Guerilla, Paramilitärs und Armee sowie die zumeist mit dem Drogenhandel verbundene organisierte Kriminalität erzeugen in dem südamerikanischen Land ein Klima der Gewalt, das die Arbeit von Journalisten beeinträchtigt. Akteure aus Politik, legaler und illegaler Wirtschaft versuchen auf verschiedenste Weise, ihre Interessen gegenüber den Medien durchzusetzen: Subtile und direkte Drohungen, Korruption und Klientelismus sind weit verbreitet. Neben den rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen untersucht die Arbeit die Medienstrukturen, die von starken Konzentrationsprozessen geprägt sind. Im Mittelpunkt stehen die Einschätzungen und das Selbstverständnis der Journalisten, die über Leitfadengespräche in Kombination mit einer schriftlichen Befragung erfaßt wurden. Die Journalisten reklamieren für sich hohe professionelle Ideale: Es dominiert das Bild des neutralen und unabhängigen Berichterstatters, zugleich halten sie ein anwaltschaftliches Eintreten für die Interessen von marginalisierten Gruppen und die vom Krieg betroffene Zivilbevölkerung für wichtig.
Dabei sind sich die Journalisten in hohem Maße bewußt, daß sie diese Ziele in Anbetracht der Rahmenbedingungen nicht immer umsetzen können. Selbstbeschränkungen sind an der Tagesordnung, besonders wenn die wirtschaftlichen Interessen des Medienunternehmens berührt sind. Die Probleme der kolumbianischen Gesellschaft wie soziale Ungleichheit, Bürgerkrieg, Korruption betreffen in besonderer Weise auch die Arbeit der Journalisten – dies macht es für sie um so schwieriger, einen Beitrag zur Überwindung eben dieser Mißstände zu leisten.