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Journalismus und Gewalt

Eine inhaltsanalytische Untersuchung rassistischer Polizeigewalt in der Berichterstattung von Süddeutsche.de und Bild.de

In den USA kommt es immer wieder zu schweren Fällen von Polizeigewalt, insbesondere gegen Schwarze, wobei die Opfer nicht selten ums Leben kommen. Vor dem Hintergrund enormer medialer Aufmerksamkeit gibt es seit George Floyds Tod auch hierzulande eine verstärkte Reflexion über Rassismus und illegitime Gewalt in den Reihen der deutschen Polizei. In Anbetracht dieser Entwicklungen stellt sich die Frage, wie deutsche Journalist:innen den Diskurs über Polizeigewalt behandeln. Ziel der Arbeit ist eine inhaltsanalytische Untersuchung der Darstellung rassistischer Polizeigewalt im US-amerikanischen und deutschen Kontext in der Berichterstattung von Süddeutsche.de und Bild.de. Dabei werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede in einer Gegenüberstellung herausgearbeitet.

Aufbauend auf der Definition des medialen Polizeigewalt-Begriffs sowie einer Literaturrecherche zu Polizei und rassistischer Gewalt im historischen, kulturellen sowie sozialen Kontext der Erfahrung von Schwarzen wurde eine qualitative Inhaltsanalyse der Berichterstattung in Anlehnung an Mayring (2015) durchgeführt. Der Framing-Ansatz nach Entman (1993) dient der Ableitung der Forschungsfragen und Kategorien.

Die Auswertung zeigt, dass in der Berichterstattung beider Zeitungen die wiederholten Fälle schwerer Polizeigewalt gegen Schwarze im US-amerikanischen Kontext hauptgegenständlich sind. Problematisiert wird hierbei stets die illegitime, physische Anwendung von Gewalt durch die US-amerikanische Polizei, wobei das relevanteste Opfer George Floyd ist. Als zentrale Ursache wird das strukturelle Rassismus-Problem innerhalb der US-Gesellschaft sowie der US-amerikanischen Polizei festgestellt. Im deutschen Kontext wird Rassismus in den Reihen deutscher Polizist:innen vereinzelt problematisiert. Vielmehr werden aber ungerechtfertigte Parallelen zwischen Deutschland und den USA thematisiert, die zu einer gesellschaftlichen und politische Debatte beitragen. Dies zeigt, dass Rassismus auch in der Berichterstattung nach wie vor selten auf die eigene Gesellschaft angewendet und dementsprechend auch nicht mit Polizeigewalt in Deutschland in Verbindung gebracht, sondern vornehmlich als Problem der Vereinigten Staaten qualifiziert wird. Die Ergebnisse legen die Vermutung nahe, dass das Fehlen repräsentativer Studien zu Rassismus innerhalb der deutschen Polizei auch in der Berichterstattung eine Herausforderung für Journalist:innen ist, faktenbasiert zu berichten. Im Allgemeinen sind die Unterschiede zwischen den untersuchten Zeitungen graduell, allerdings zeigen sich hinsichtlich der kontextuellen Einordnung von Polizeigewalt sowie der rhetorischen Ausgestaltung Abweichungen.