Das Potenzial postkolonialer Ansätze, koloniale Strukturen und ihre Wirkungsmacht bis heute zu analysieren, entfaltet sich schrittweise auch in Deutschland. In akademischen Kontexten haben postkoloniale Theorien auf zahlreiche Disziplinen wie die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften eingewirkt. In einigen Feldern sind sie bislang jedoch weniger verbreitet. Was beispielsweise fehlt, ist eine breite Auseinandersetzung mit postkolonialen Theorien in der deutschsprachigen Medien- und Kommunikationswissenschaft. So könnten nicht nur die Theorie- und Forschungspraxen an sich aus postkolonialer Perspektive kritisch betrachtet werden. Auch die Frage, wie Kommunikation, Medien und Journalismus selbst in kolonialen Kontinuitäten stehen und diese reproduzieren, wurde bislang im deutschsprachigen Raum nur vereinzelt untersucht.
In diesem thematischen Kontext setzt die vorliegende Arbeit an und versucht sich an einem Zusammendenken von Postkolonialität und Journalismus. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, wie Journalismus theoretisch und praktisch an postkoloniale Theorien anknüpfen kann. Hierfür wird zunächst in die Grundlagen postkolonialer Ansätze eingeführt und ihre Bedeutung im deutschsprachigen Raum aufgezeigt. Es folgt ein kurzer Blick auf postkoloniale Ansätze in Medien- und Kommunikationswissenschaften und eine Bestandsaufnahme der aktuellen Herausforderungen des Journalismus. Danach werden Konzepte aus postkolonialen Theorien auf Journalismus übertragen, daraus entstehende Ansprüche formuliert und Ansätze vorgestellt.
Nach einem kurzen Zwischenfazit werden die Ergebnisse dieser Theoriearbeit im methodischen Teil der Arbeit in sechs Expert*inneninterviews vertieft. Dabei konnten im Allgemeinen ein großes Problembewusstsein der interviewten Journalist*innen und zahlreiche Ansatzpunkte für mögliche Verbesserungen festgestellt werden.
Die Ergebnisse dieser Interviews werden vorgestellt, diskutiert und in einem Fazit mit den Erkenntnissen des Theorieteils verbunden. So zeigt die Arbeit, dass das Zusammendenken von postkolonialen Theorien und Journalismus nicht nur möglich ist, sondern zahlreiche Ansatzpunkte für Theorie und Praxis bietet. Dabei ist Journalismus jedoch stets als gesellschaftliche Institution im Wandel zu begreifen, die von Entwicklungen wie der Globalisierung, Digitalisierung und damit der Ausdifferenzierung von Formaten und Kommunikator*innen nicht unberührt bleibt.