Als Sprachrohr des Klimaschutzes werden Klimaaktist:innen immer häufiger der Doppelmoral („Climate Hypocrisy“) bezichtigt. Im Februar 2023 ernteten zwei Aktivist:innen der „Letzten Generation“ massive Kritik für ihre Entscheidung, einen Interkontinentalflug nach Thailand anzutreten. Das vermeintliche Totschlagargument ist seit langem ein Leitmotiv in der Klimakommunikation und hat sich als beliebte Diskreditierungsstrategie konservativer Kritiker:innen herausgebildet. In der Forschung werden Vorwürfe der Doppelmoral zunehmend als eine Form des ideologischen Klimaskeptizismus gehandelt, die maßgeblich von konservativen Kolumnist:innen vorangetrieben wird.
Diese Arbeit untersucht, 1) inwieweit wird der Vorwurf der Doppelmoral in konservativen Meinungsbeiträgen gegen die Aktivist:innen der „Letzten Generation“ eingesetzt wird, und 2) welche Elemente des Konzepts „Climate Hypocrisy“ identifiziert werden können. Die theoretische Grundlage dieser Arbeit befasst sich mit den Konzepten der organisierten Klimaschutzopposition, unterschiedlichen Formen des Klimaskeptizismus und schließlich dem Konzept „Climate Hypocrisy“ als eine Ausprägung des ideologischen Klimaskeptizismus. Durch eine qualitative Inhaltsanalyse werden inhaltliche und rhetorische Merkmale von „Climate Hypocrisy“ in der medialen Berichterstattung identifiziert. Die Grundlage der Inhaltsanalyse bilden 14 Meinungsbeiträge von konservativen Kolumnist:innen aus dem Jahr 2023 (WELT, BILD, FAZ, FOCUS online, Junge Freiheit). Die Meinungsbeiträge wurden ereignisorientiert durch die Datenbank LexisNexis und eine chronologische Google-Recherche identifiziert.
Die Arbeit kommt zu dem Ergebnis, dass sowohl die Meinungsbeiträge zum Interkontinentalflug zweier Aktivist:innen als auch die zu den Protestaktionen der „Letzten Generation“, Elemente des Konzepts „Climate Hypocrisy“ beinhalten. Dabei unterscheidet sich der Einsatz des Doppelmoralvorwurfs entsprechend der thematischen Ausrichtung der Meinungsbeiträge und bezieht sich auf das private und das öffentliche klimaschädliche Verhalten der Aktivist:innen. Die vermeintliche Doppelmoral der Aktivist:innen kulminiert schließlich in sieben Anschuldigungen: Selbstdarstellung, Elitismus, Amoralität, Arbeiterfeindlichkeit, Gefahr für die Demokratie, sektenähnlicher Zusammenschluss und Terrorismus. Die Ergebnisse dieser Arbeit verdeutlichen, dass Vorwürfe der Doppelmoral einen wichtigen ideologischen und öffentlichkeitswirksamen Beitrag zur Diskreditierung von Aktivist:innen leisten und als modernes Instrument des Klimaskeptizismus fungieren.