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Diskurs statt Pöbelei – Kann die interaktive journalistische Moderation von Nutzerkommentaren die Qualität von Online-Diskussionen verbessern?

Ein Feldexperiment am Beispiel der Facebook-Seite von „hart aber fair“.

Pöbeleien, Beleidigungen und Hasskommentare vergiften das Diskussionsklima in sozialen Netzwerken wie Facebook. Argumentation, Konstruktivität und Respekt sind wichtige Aspekte im Modell des idealen Diskurses nach Habermas, diese scheinen jedoch in Diskussionen zunehmend zu fehlen. Für die journalistische Praxis stellt sich die Frage, wie der redaktionelle Umgang mit Diskussionen auf den eigenen Seiten gestaltet werden sollte, um die Diskussionskultur zu verbessern.

Erste Studien deuten darauf hin, dass aktive Moderation von Nutzerkommentaren die Qualität nachhaltig verbessern kann. Dieser Arbeit lag daher die Annahme zu Grunde, dass sich interaktive journalistische Moderation positiv auf die Diskussionsqualität auswirkt. Systematische Empfehlungen gab es bisher jedoch kaum. Daher lautet die zentrale Forschungsfrage der Arbeit: Können verschiedene Strategien der interaktiven journalistischen Moderation von Nutzerkommentaren die Qualität von Online-Diskussionen verbessern?

In einem Feldexperiments wurden in den Diskussionen auf der Facebook-Seite der politischen Talkshow hart aber fair vier Moderationsstrategien systematisch angewendet und variiert. Dabei handelte es sich um Kombinationen aus den Moderationsformen Unterstützung und Regulierung sowie den Moderationsstilen konventionell und unkonventionell. Unterstützung geht damit einher, dass die Moderierenden Fragen beantworten, zusätzliche Informationen geben und gute Gedanken loben. Regulierung wird unter anderem dadurch erreicht, dass Konflikte geschlichtet, Diskussion zum Thema zurückgeführt und falsche Tatsachenbehauptungen aufgeklärt werden. Beim konventionellen Stil bleibt die Moderation neutral, freundlich und formell, beim unkonventionellen Stil ist die Interaktion informell gehalten und kann humorvoll sein. Im Anschluss an die Moderationsphase wurde eine geschichtete Stichprobe aus den Nutzerkommentaren gezogen (N=1.800) und mittels quantitativer Inhaltsanalyse ausgewertet. Dabei wurden mögliche Effekte der verschiedenen Moderationsstrategien auf die deliberative Qualität der Kommentare untersucht. Klassische Kategorien der Deliberationstheorie, wie Rationalität, Konstruktivität, Bezugnahme und Zivilität, galten als Maßstab für die Beurteilung der Qualität.

Regressionsanalysen zeigen, dass interaktive Moderation nicht per se einen positiven Einfluss hat. Die konventionell-unterstützende Moderationsstrategie erweist sich als wirkungsvolle Maßnahme zur Verbesserung der deliberativen Qualität von Nutzerkommentaren: Eine sachliche und freundliche Interaktion in Form von Lob, zusätzlichen Informationen oder Nachfragen geht demnach mit einer signifikanten Verbesserung der deliberative Qualität der Diskussionen einher. Die anderen Moderationsstrategien führen zu keinen signifikanten Verbesserungen. Zudem zeigte sich, dass sich kontroverse Themen wie der Klimawandel negativ auf die Qualität der Kommentare auswirken. Das hängt auch damit zusammen, dass die Gesamtmenge an Kommentaren bei diesen Themen höher ausfällt.

Für die journalistische Praxis kann die Handlungsempfehlung abgeleitet werden, dass sich Redaktionen durchaus den Aufwand des interaktiven Moderierens machen sollten, um einen Beitrag zur Verbesserung der Qualität in Online-Diskussionen zu leisten. Dabei sollten sich die Moderierenden als zurückhaltende, konstruktive Mitdiskutanten verstehen.