Wenn die TV-Reportage nach ihren typischen Kriterien umgesetzt wird, vermittelt sie hohe Erlebnisqualität und einzigartige Glaubwürdigkeit. Fast jeder Sender schmückt sich mit einem eigenen Format. Doch was wird unter dem Titel Reportage heute geboten? Sind es die klassischen Elemente die überwiegen, oder handelt es sich in den meisten Fällen um Mischformen? Unterscheiden sich öffentlich-rechtliche und private Sendungen hinsichtlich Themen, Umsetzung und Authentizitätsstrategien oder haben Formatierung und Quotendruck zu inhaltlicher und formaler Angleichung geführt? Um diese Fragen zu beantworten wurden vier Formate (BR, Spiegel TV, Kabel 1, ZDF) untersucht. Dazu wurden Interviews mit Autoren und verantwortlichen Redakteuren, eine Formal- sowie eine Einzelfallanalyse durchgeführt. Es stellte sich heraus, dass jedes Format einen eigenen Themenschwerpunkt verfolgt. Eine thematische „Boulevardisierung“ konnte nicht festgestellt werden. Bei der Einzelfallanalyse hatten nur neun von 20 Sendungen die typische Reportageform. Während einige Formate bewusst als Sammelbecken verschiedener Formen dienen, tragen auch ökonomische Zwänge zur Vermischung der Formen bei. Die Untersuchung der Authentizität macht deutlich, dass mit der Beachtung der Reportagekriterien auch die filmische Umsetzung an Glaubwürdigkeit gewinnt. Dass es sich lohnen würde, der TV-Reportage ein deutlicheres Profil zu geben, zeigt der unersetzbare Wert, der ihr sowohl von Machern als auch von Programmverantwortlichen zugeschrieben wird.
Die Fernsehreportage – Das Königsgenre auf Abwegen?
Eine Analyse von vier Reportageformaten