In Polen ist die Reichweite der Tagespresse seit Ende der 1980er Jahre rapide gesunken. Während in den letzten sozialistischen Jahren etwa 80 Prozent der Bevölkerung eine Tageszeitung gelesen haben, liegt die Reichweite jetzt nur noch bei knapp über 30 Prozent. Wo liegen die Ursachen für diesen Wandel?
Das Themengebiet der Transformation von Mediensystemen in Osteuropa ist von der Kommunikationswissenschaft weitgehend vernachlässigt worden. Soweit überhaupt vorhanden, dominieren Datensammlungen und deskriptive Beschreibungen die Forschung. Im Gegensatz dazu wurde in der Arbeit eigens ein Kategoriensystem entwickelt, auf Basis dessen die Strukturveränderungen auf dem polnischen Tagespressemarkt untersucht wurden.
Die Analyse konnte zwei Grundtendenzen aufzeigen. Zum einen fehlt in Polen bis heute ein grundsätzliches Verständnis für die Rolle von Journalisten in einem demokratischen System, ebenso wie für die Notwendigkeit der politischen Weichenstellung, um die Kontroll- und Kritikfunktion der Medien überhaupt zu ermöglichen. Zum anderen zeigt die zunehmende Boulevardisierung der Tagespresse das steigende Desinteresse der Bevölkerung an der Auseinandersetzung mit politischen und wirtschaftlichen Problemen des Landes. In ihrem Unvermögen, den Menschen Hilfestellung zu leisten, wurden die Medien und insbesondere die Tageszeitungen allmählich zu einer Quelle leichter, vom Alltag ablenkender Unterhaltung degradiert.