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Die Darstellung von Untergrundgesellschaften in japanischen Animationsfilmen

Eine vergleichende Analyse der Animationsfilme „Tokyo Godfathers“ (2003) und „Tekkon Kinkreet“ (2006)

Während der 90er-Jahre kam es in Japan zu einem großen sozialen Wandel welcher bestimmte Gesellschaftsgruppen immer stärker in das Blickfeld der Öffentlichkeit rückte. Während die Leitmedien des Landes die Entwicklung eher negativ beschrieben, gibt es ein Mediensformat das sich auf eine ganz andere Weise den sozialen Bewegungen näherte: Japanische Animationsfilme. Als Medienformat, welches das Potenzial hat, sich mit Themen und Menschen zu befassen, die im dominanten Mediendiskurs keinen Platz zu finden scheinen, ist es relevant die Logik dieser Filme genauer zu untersuchen.

Das Ziel der Arbeit war es herauszufinden, wie die beiden Untergrundgruppen der Obdachlosen und der Mafia Japans in Animationsfilmen der 90er- bzw. frühen 2000er-Jahre dargestellt wurden. Dabei wurde vermutet, dass Animationsfilme diese Menschen positiver und surrealistischer abbilden als andere Medienformen. Die Vermutung stütze sich auf die Erkenntnis, dass Unterhaltungsmedien nach einer anderen Logik zu funktionieren scheinen als seriöse Medien, sowohl was die Nähe zur Realität als auch die Darstellung von sozialen Randfiguren angeht. Immer wieder zeigt sich in ihnen eine Romantisierung und Dramatisierung des sozialen Außenseiters.

Um zu überprüfen, ob diese Darstellungstendenz auch auf das Unterhaltungsformat der Animationsfilme zutrifft, wurden zwei japanische Animationsfilme – „Tokyo Godfathers“ und „Tekkonkinkreet“ – auf Basis der qualitativen Methode einer Diskursanalyse hinsichtlich ihrer Darstellung von Untergrundgruppen analysiert. Die beiden Filme wurden mit der Hilfe eines Kategoriensystems auf fünf Punkte hin untersucht, wobei Michel Foucaults „Formationsregeln“ als methodisches Werkzeug seiner Diskurstheorie als Basis für die Kategorien gedient haben.

Die Analyse ergab, dass die beiden Animationsfilme die zwei untersuchten Untergrundgruppen wie vermutet übergreifend positiver und surrealistischer darstellen. Anders als die japanischen Leitmedien der 90er-Jahre, nutzen die beiden Filme diverse Mittel, um ihre Charaktere als im Grunde gute Menschen zu zeigen. Obgleich vieler realistischer Elemente werden beide Untergrundgruppen in den Filmen in fantasievolle, surrealistische Abenteuer verstrickt, die sie als Menschen reifen und sie mit ihren Problemen konfrontieren lässt. Reale Probleme und Narrative der Gruppen, die meist ungewollt im Schatten der Gesellschaft leben, werden vielseitiger und emotionaler vorgestellt und es wird, wie auch in anderen Unterhaltungsmedien, immer wieder auf den Stereotypen des guten Außenseiters oder Bösewichts und eine Romantisierung dieser Figuren zurückgegriffen.