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Der französische Präsident Valéry Giscard d’Estaing und die Massenmedien

Vom "Kennedy à la française" zum skandalierten 'Monarchen'

Valéry Giscard d’Estaing wurde zu Beginn seiner Amtszeit 1974 häufig als „Kennedy à la française“ charakterisiert, als moderner, junger Starpolitiker. Nur sieben Jahre später galt Giscard der öffentlichen Meinung als ‚Monarch‘ mit zweifelhafter Integrität.
Die auf einer Literatur- und Presseauswertung sowie auf zehn Experteninterviews basierende Arbeit ergibt, dass die Dynamik widersprüchlicher Bilder für das Scheitern Giscards mitverantwortlich war: Auf die betonte Schlichtheit bei der Amtseinführung des jungen Präsidenten folgten Gerüchte über die strenge Etikette am Elyséepalast. Pseudo-Events wie Essenseinladungen bei einfachen Familien wollten nicht zu den Berichten über die Großwildjagden des Präsidenten in Afrika passen. Das Bemühen des Elysée um ein entspannteres Verhältnis zu den Journalisten wurde abgelöst durch die vergifteten Beziehungen zur Presse im Zuge der Diamantenaffäre, die sich aufgrund mangelhafter Krisen-PR zum französischen Watergate entwickelte.
Auf der medienpolitischen Ebene hieß diese Widersprüchlichkeit „kontrollierter Liberalismus“: Wenngleich sich Giscard von direkten Interventionen im Stil der gaullistischen „télécratie“ verabschiedete, garantierte eine sorgfältige Personalauswahl weiterhin die Regierungstreue des Rundfunks. Insgesamt zeigt die Amtszeit Giscards, dass eine größtmögliche Medienpräsenz als Starpolitiker und eine Instrumentalisierung der Medien im gaullistischen Stil mit der Medienlogik langfristig nicht zu vereinen war.