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Der Diskurs um die Nominierung und Wahl von Ferda Ataman zur Antidiskriminierungsbeauftragten des Bundes

Eine wissenssoziologische Diskursanalyse der Berichterstattung deutscher (Online-)Tageszeitungen mit Twitter-Bezug

Die Bundesantidiskriminierungsstelle ist eine Anlaufstelle für Betroffene von Diskriminierung. Ihre Funktionen sind im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) festgelegt. Ferda Ataman wurde am 7. Juli 2022 vom Bundestag knapp zur Leiterin gewählt, was aufgrund ihrer früheren journalistischen Tätigkeiten und Mitgliedschaft bei den Neuen Deutschen Medienmacher*innen (NDM) kritisch betrachtet wurde. Die NDM setzen sich für mehr Vielfalt im Journalismus ein und bewerten regelmäßig die mediale Berichterstattung über Menschen mit Einwanderungsgeschichte.

Die vorliegende wissenssoziologische Diskursanalyse nach Rainer Keller untersucht den Diskurs um Atamans Nominierung in deutschen Tageszeitungen. Sie nimmt dabei die inhaltliche Struktur des Diskurses, Deutungsmuster sowie zentrale Akteur*innen in den Blick. Ziel dieser Analyse ist es, herauszustellen, wie die Phänomene Diskriminierung und insb. Rassismus als ein in Deutschland im AGG geschütztes Diskriminierungsmerkmal um die oben genannten Ereignisse medial verhandelt werden. Dabei wird das wissenschaftliche Verständnis von Rassismus als Dominanzkultur dem medialen Verständnis gegenübergestellt. Die Arbeit trägt der wissenschaftlichen Erkenntnis Rechnung, dass Diskurse heute transmedial entstehen und soziale Medien eine grundlegende Funktion in der Formierung von Diskursen innehaben. Ziel der Arbeit ist es daher außerdem, innerhalb des abgebildeten Diskurses Referenzen zwischen Tageszeitungen und Twitter herauszustellen, ohne eine komparative Analyse vorzunehmen.

Acht Teildiskurse werden identifiziert: der ampelkritische Diskurs, der bürgerliche Ablehnungsdiskurs, der Kronzeug*innen-Diskurs, der populistische Konfrontationsdiskurs, der umkehrende Vorwurfsdiskurs, der diskriminierungssensible Aufklärungsdiskurs, der medienkritische Beobachtungsdiskurs und der anerkennende Erwartungsdiskurs. Die Analyse zeigt, dass wissenschaftliches und mediales Verständnis von Diskriminierung und Rassismus weitgehend auseinandergehen. Der Diskurs dreht sich weniger um die Antidiskriminierungsstelle und Diskriminierung und Rassismus als soziale Phänomene, sondern vielmehr um Identitätspolitik, Identitätskategorien und Individualismus. Ein Konflikt zwischen Antirassismuskritiker*innen und Dominanzkultur-Verfechter*innen sowie eine Konfrontation zwischen rechts und links sind erkennbar. Es wird die Deutungshoheit über gesellschaftliche Identität verhandelt, wobei Migration und Integration eine Rolle spielen. Der Diskurs fokussiert sich auf Atamans Person und die Gesellschaftspolitik der Ampel-Koalition. Migrantisch gelesene Personen kommen besonders zu Wort, um Probleme innerhalb migrantischer Communities in Deutschland zu betonen, während Diskriminierung von Migrant*innen durch die Mehrheitsgesellschaft weniger thematisiert wird.