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Das Selbstbestimmungsgesetz in den deutschen Medien

Eine Argumentanalyse der Berichterstattung in Tageszeitungen

Das Selbstbestimmungsgesetz, welches die rechtliche Anerkennung von Trans*-Personen in Deutschland vereinfacht, trat am 1. November 2024 in Kraft. Begleitet wurde der Gesetzgebungsprozess von kontroversen gesellschaftlichen, politischen und medialen Debatten. Doch bereits vor der legislativen Anpassung war die deutsche Öffentlichkeit von einer Häufung queer- und trans*-feindlicher Forderungen, die öffentlich insbesondere von rechter und konservativer Seite geäußert wurden, geprägt. Aufgrund dieser Entwicklung kritisierten zuletzt mehrere Trans*-Interessenvertretungen die Medienberichterstattung über Themen der Trans*-Community als problematisch und forderten eine diskriminierungsfreie und wissenschaftlich fundierte Berichterstattung.

Angesichts dessen analysiert die Arbeit, wie sich die massenmediale Berichterstattung über das Selbstbestimmungsgesetz ausgestaltet, wobei besonders die dargestellten Argumente im Fokus stehen. Im Zuge einer quantitativen Argumentanalyse werden die zum Selbstbestimmungsgesetz veröffentlichten Artikel der Tageszeitungen FAZ, Die Welt, SZ und taz im Zeitraum vom 01. August 2022 bis 31. Dezember 2023 untersucht. Als standardisierte Methode baut die Argumentanalyse auf inhaltlich-deskriptiven Aspekten des Second-Level-Agenda-Setting-Ansatzes auf. Demnach lässt sich die Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz als konflikthaftes mediales Issue verstehen, wobei die sich darauf beziehenden Argumente (Attribute) potenzielle Wirkung entfalten, Legitimität und Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit erhalten und andere, nicht genannte Argumente wiederum nicht. Mithilfe einer Vorstudie wird die Gesamtmenge der Argumente ermittelt, in Form eines Codeplans nach ihrer Polarisierung sortiert und je nach Tiefe abgestuft angeordnet. Anschließend wird die Hauptstudie basierend auf dem Codeplan durchgeführt.

Die Ergebnisse der Hauptstudie zeigen eine Dominanz von Argumenten, die Trans*-Personen als Gefahr für die Norm-Gesellschaft betrachten. Hinzu kommen delegitimierende Argumente, bei welchen Menschen ihre Trans*-Identität aberkannt wird. Ein Argument, das historisch betrachtet auf verschiedenste queere Identitäten angewandt wurde und wird, ist die Gefährdung von Kindern. In diesem Zusammenhang, aber auch hinsichtlich der vorgeschobenen Motivationen, Räume von Frauen zu schützen, werden insbesondere Trans*-Frauen kriminalisiert. Hinzu kommen Argumente, die Trans*-Personen als medizinische Objekte pathologisieren. Angesichts der Betonung der Verbesserung der Rechte von Trans*-Personen und der Wiedergutmachung vorheriger Demütigungen als auch dem als hohen Anteil zitierter Trans*-Personen kann dennoch eine leichte Normalisierung im medialen Umgang mit Trans*-Themen vermutet werden. Nichtsdestotrotz ist festzustellen, dass diskriminierende Berichterstattungsmuster über Trans*-Personen, die sich bereits in älteren, qualitativen Studien nachweisen ließen, fortgeführt werden. Die Ergebnisse untermauern zivilgesellschaftliche Forderungen nach einer respektvolleren Berichterstattung über Themen der Trans*-Community.