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Darstellung von Cancel Culture auf YouTube

Inhaltsanalytische Befunde zu Videos und Kommentaren

Die vorliegende Studie befasst sich mit der Wahrnehmung und Darstellung des Phänomens Cancel Culture in Videos und Kommentaren auf YouTube. Aufgrund der hohen Relevanz in Bezug auf das Thema Meinungsäußerung wird Cancel Culture explorativ auf Basis des Framing-Ansatzes untersucht. Anhand von Fallbeispielen werden im ersten Teil der Arbeit Auslöser und Konsequenzen herausgearbeitet (F1.1), die Äußerungen Betroffener analysiert (F1.2) und die Tonalität der Reaktionen auf diese Äußerungen im Hinblick auf Hassrede erfasst. Der zweite Teil der Arbeit fokussiert sich auf die Diskussion über Cancel Culture und untersucht die Darstellung im Hinblick auf Tendenz und dominante Motive (F2.1) sowie die Reaktion auf diese Inhalte (F2.2).

Im Juni 2021 wurden N = 6 Fälle Betroffener YouTuber:innen in einer  qualitativen Fallstudie untersucht und um die quantitative Inhaltsanalyse von N = 6 Reaktionsvideos und N = 600 Kommentaren zu einem Mixed-Methods-Design ergänzt. Zusätzlich wurde eine Inhaltsanalyse von N = 44 Videos zum Thema und N = 2,200 bezugnehmender Kommentare durchgeführt. Die Codebücher setzten sich aus 15 (Videos) bzw. 18 (Kommentare) inhaltlichen Kategorien zusammen, die sich in einem Pretest als überwiegend reliabel erwiesen. Die deskriptive und inferenzstatistische Analyse erfolgte mit R Studio.

Anhand der Kommentare zu den Videos Betroffener konnte eine ambivalente Sicht auf diese, sowie eine primär neutrale Einstellung zu Cancel Culture (85.7%)  nachgewiesen werden. Alle Betroffenen zeigten sich den Vorwürfen eines problematischen Verhaltens gegenüber einsichtig, obwohl diese sich primär auf in der Vergangenheit liegende Vorfälle bezogen. In bezugnehmenden Videos äußerten sich YouTuber:innen kritisch zu Cancel Culture (72.7%) und dem Phänomen wurde eine politischen Motivation (84.6%) zugesprochen, während Kommentare hierzu nur wenige argumentative Belege enthielten.

Zusammenfassend wird Cancel Culture auf YouTube überwiegend kritisch betrachtet wobei sich die Auswirkungen auf YouTuber:innen und identifizierten Motive unterscheiden. Die Tatsächliche Praxis des Cancelns wird eher auf anderen Plattformen vermutet, weshalb für zukünftige Forschung cross-mediale Ansätze empfohlen werden.