Die Alternative für Deutschland (AfD) ist seit ihrer Gründung eine Partei, die durchwegs gesellschaftliche und mediale Aufmerksamkeit erhält. In vorhergehenden Untersuchungen wird festgestellt, dass sich die AfD populistischer Kommunikationselemente bedient. Freund-Feind-Dichotomisierungen und Selbstdarstellungen als „Opfer“ gelten als ebensolche populistische Kommunikationselemente. Nichtsdestotrotz liegen bisher kaum wissenschaftliche Erkenntnisse für einen strategischen Einsatz der Opferrolle vor. Aus diesem Grund untersucht die vorliegende Arbeit den Parteiauftritt der AfD auf Twitter und analysiert systematisch, ob dieser Opfer-Stilisierungen enthält und inwiefern dabei eine strategische Ausrichtung erkennbar ist.
Im theoretischen Fundament der Arbeit wird eine Begriffsdefinition von Selbstviktimisierung und eine eigene Arbeitsdefinition des Populismus erarbeitet. Intentionale Selbstviktimisierung wird in dieser Arbeit unter anderem als ein absichtlich erzeugter, systematischer Prozess des Opferwerdens definiert. Darauf aufbauend wurden im Rahmen einer Medieninhaltsanalyse 1000 Tweets und Retweets des offiziellen, deutschlandweiten AfD-Twitter-Accounts codiert und analysiert.
Die Untersuchungsresultate zeigen, dass die intentionale Selbstviktimisierung permanenter Bestandteil der Kommunikationsstrategie der AfD ist. Die Partei erhält aber nicht mehr Reaktionen (‚Gefällt-mir‘-Angaben, Retweets, Replies) auf Beiträge mit intentionaler Selbstviktimisierung als auf Tweets oder Retweets mit anderen Themen. Im Rahmen der intentionalen Selbstviktimisierung klagt die AfD in 78 % der untersuchten Fälle Eliten als Verantwortliche an. Die gewonnenen Erkenntnisse dienen als wissenschaftlicher Nachweis über den Einsatz der intentionalen Selbstviktimisierung in der Kommunikationsstrategie der AfD. Die Befunde bieten differente Ansatzpunkte und Implikationen sowohl für die Strategien diverser politischer Akteure als auch die Art und Weise der User-Reaktionen.