Der politische Diskurs in Deutschland wird von einer zunehmend gespaltenen Öffentlichkeit geführt. Wenn politisch Andersdenkenden auch privat mit Abneigung begegnet wird und sich die Gesellschaft infolgedessen spaltet, spricht man von einer „affektiven Polarisierung“ (AP), ein Konzept, das traditionell in der US-amerikanischen Polarisierungsforschung wurzelt. Diese Arbeit stellt die erste umfassende Betrachtung der AP in Deutschland dar und geht der Frage nach, inwiefern die Polarisierung im privaten Umfeld der deutschen Bevölkerung wirksam wird. Die Daten, die im Rahmen einer quantitativen Onlinebefragung erhoben wurden (N=513), liefern die überraschende Erkenntnis, dass Deutschland, gemessen am Gefühlsthermometer, dem zentralen Messinstrument der AP, sogar stärker gespalten ist als die USA. Größtes Polarisierungspotenzial bieten hierbei die Anhänger der Parteien „Die Grünen“ und „AfD“. Als signifikante Treiber der AP lassen sich 1) Parteiidentifikation, 2) ideologische Einstellung, 3) Benachteiligungsgefühl, 4) selektive Mediennutzung sowie ein einstellungskonformes Umfeld aus 5) Familie und 6) Freunden identifizieren. Keinen signifikanten Einfluss hingegen haben die Meinungen im Kollegenkreis, die Zusammensetzung der Diskussionsnetzwerke sowie das Unsicherheitsgefühl. Die Arbeit unterstreicht die Dringlichkeit, sich auch hierzulande wissenschaftlich mit der AP auseinanderzusetzen und gleichzeitig die Rolle der deutschen Medien in dieser Entwicklung zu benennen.
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Die affektive Polarisierung der deutschen Bevölkerung