Gegenstand der Arbeit ist die Frage, ob sich Spannungsempfinden während des Lesens positiv auf das Präsenzerleben des Rezipienten auswirkt. Als relativ neues Konzept wurde Präsenz bzw. Presence (das Gefühl, in der vom Medium dargestellten Realität zu sein) vorrangig im Zusammenhang mit interaktiven Virtual Environments untersucht. Als psychologisches Phänomen kann Präsenz aber auch bei der Leserezeption auftreten, wobei davon ausgegangen wird, dass immersive Defizite des Mediums Buch auch durch narrative Elemente wie Spannung wettgemacht werden können.
Um die Beziehung zwischen Spannung und Presence zu untersuchen, wurde ein Textauszug aus einem Roman in seiner Spannungsintensität variiert. Die Affective Disposition Theory von Zillmann wurde als theoretischer Rahmen genutzt, wobei die Faktoren ‚Empathie‘ und ‚Wahrscheinlichkeit eines negativen Ausganges‘ zweistufig manipuliert wurden. Die resultierenden vier Textfassungen dienten als Stimulus für 81 Probanden, welche nach der Lektüre den Grad an empfundener Spannung und Präsenzerleben angaben. Da die Spannungsmanipulation nicht hinreichend gelang, wurde auf eine quasi-experimentelle Analyse zurückgegriffen. Die tatsächlich empfundene Spannungsintensität wurde in drei Gruppen eingeteilt. Eine Varianzanalyse bestätigte die Annahme, dass ein Haupteffekt des Faktors Spannung auf das Präsenzerleben vorliegt. Die Versuchsteilnehmer, welche beim Lesen in hohem Maße Spannung empfunden hatten, erlebten auch mehr Präsenz als diejenigen, welche den Stimulustext deutlich weniger spannend beurteilten.
Being there – where the suspense is
Ein Experiment zum Zusammenhang zwischen Spannungsempfinden und Präsenzerleben bei der Leserezeption von Unterhaltungsliteratur