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Kommunikation unter Zeitdruck: Auswirkungen auf das Ärzt:innen-Patient:innen-Gespräch

Zeit stellt eine zentrale Ressource in der medizinischen Versorgung dar, die maßgeblich die Qualität von Diagnostik, Therapie und Patient:innensicherheit beeinflusst. Insbesondere die ärztliche Kommunikation als wesentlicher Bestandteil des Behandlungsprozesses ist auf einen adäquaten zeitlichen Rahmen angewiesen. In diesem Zusammenhang ist es als kritisch zu bewerten, dass Zeitmangel in der medizinischen Praxis zunehmend eine strukturelle und langfristige Herausforderung darstellt. Besonders betroffen ist das ärztliche Gespräch, das die Grundlage für Anamnese, Diagnosestellung und Therapieplanung bildet. Internationale Vergleichsdaten belegen, dass Ärzt:innen in Deutschland im Durchschnitt nur wenige Minuten pro Patient:innengespräch zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die zentrale Forschungsfrage, inwiefern Zeitdruck die Qualität der ärztlichen Kommunikation beeinflusst. Die vorliegende Masterarbeit untersucht daher folgendes Forschungsanliegen:
Welchen Einfluss hat Zeitdruck auf die Kommunikation zwischen Ärzt:innen und Patient:innen?

Die empirische Grundlage bildet eine qualitative Untersuchung mittels halbstrukturierter Leitfadeninterviews mit insgesamt acht Personen: vier Patient:innen und ihren jeweils behandelnden Ärzt:innen. Die gezielte Zusammensetzung der Interviewpaare ermöglichte eine Gegenüberstellung ärztlicher und patientischer Perspektiven auf identische Gesprächssituationen sowie eine differenzierte Analyse subjektiver Erfahrungen im Umgang mit Zeitdruck.

Die Ergebnisse zeigen deutlich: Zeitdruck modifiziert die Kommunikation zwischen Ärzt:innen und Patient:innen überwiegend negativ und steht im Widerspruch zu sämtlichen Merkmalen gelungener Gesprächsführung. Unter Zeitdruck verändert sich die Struktur der Gespräche signifikant. Diese sind gekennzeichnet durch stärkere Standardisierung, häufige Unterbrechungen, verminderte Flexibilität, veränderte Fragetechniken und rigide Abläufe. Die auf Effizienz ausgerichtete Gesprächsführung infolge des Zeitdrucks geht zulasten individueller Anliegen, schränkt den Informationsaustausch ein und erhöht die Fehleranfälligkeit in Diagnostik und Therapie. Darüber hinaus führt Zeitdruck zu einer erhöhten emotionalen Belastung auf Seiten von Ärzt:innen und Patient:innen, was die Qualität der Beziehung beeinträchtigt und das Risiko von Missverständnissen sowie Vertrauensverlusten steigert.