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Alternsrepräsentationen in deutschen Tageszeitungen

Wie wird Altern in der Intersektionalität mit Geschlecht journalistisch erzeugt und mit Bedeutung versehen?

Während die Gesellschaft als ganze altert (demografischer Wandel), erlebt jedes ihrer Mitglieder den Prozess des Älterwerdens individuell. Dabei spielt keineswegs nur die persönliche Erfahrung eine Rolle, sondern mediale Repräsentationen prägen maßgeblich, wie wir die eigene (Alters-)Identität gestalten. Älter zu werden ist kein wertneutrales Unterfangen, sondern wird tendenziell als Makel inszeniert. Die Redensart „Männer reifen, Frauen welken“ suggeriert, dass das Älterwerden insbesondere für weiblich gelesene Personen eine kritische Rolle spielt und ein Projekt darstellt, dass es so erfolgreich wie möglich zu bestreiten gilt – was im Endeffekt bedeutet, nicht (sichtbar) zu altern.
Während mediale Alternsbilder in Lifestylemagazinen und in der Werbung bereits untersucht worden sind, geht diese Arbeit der Frage nach, welche Rolle der Journalismus bei der Alternskonstruktion spielt, von dem wir in der Regel Objektivität erwarten. Zugrundegelegt werden eine sozialkonstruktivistische und machtkritische Perspektive auf Medien (Cultural Studies) und poststrukturalistische Konzepte aus der feministischen Forschung. Aus einer intersektionalen Perspektive stellt sich die Frage, wie Altern insbesondere in der Verwobenheit mit Geschlecht in deutschen Tageszeitungen repräsentiert wird. Ferner geht die Arbeit den Fragen nach, wie sich die Repräsentationen mit gesellschaftlichen Machtstrukturen in Beziehung setzen lassen und inwieweit es zu Brüchen dominanter Alternsdiskurse kommt.

Angewandt wurde eine intersektionale Mehrebenenanalyse, die Verfahren der qualitativen Sozialforschung mir diskursanalytischen Herangehensweisen kombiniert. Es wurden 29 Artikel aus dem Jahr 2021 einbezogen, die in den drei größten deutschen Tageszeitungen erschienen sind. Die Ergebnisse zeigen, dass bestimmte Bilder vom Altern immer wieder auftauchen, wie das Altern als körperlicher Verfall, als Verlust jugendlicher Schönheit und als Herausforderung, auch nach dem Berufsleben aktiv zu bleiben. Von einem lebendigen Diskurs zeugen vereinzelte Brüche dieser Bilder sowie unterschiedliche Interpretationen dahingehend, wie sich die Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern mit dem Alter verschieben. Insgesamt kann eine negative Wertung des Alterns ausgemacht werden sowie eine tendenzielle Behandlung als ‚Frauenthema‘. Wechselwirkungen mit strukturellen Ageismen und Sexismen werden zum Teil in den Artikeln selbst thematisiert und Diskriminierungsmuster problematisiert. Dieser Meta-Diskurs kann als Merkmal des Journalismus gedeutet werden, der sich stärker als andere Formate der Aufgabe verpflichtet sieht, Missstände aufzudecken. Nichtsdestotrotz muss neben seiner Funktion als kritische Instanz auf die strukturstabilisierende Rolle des Journalismus hingewiesen werden, da einzelne Normen, die sich aus einer Überlagerung von Sexismus und Ageismus ergeben, unhinterfragt reproduziert werden.