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„Zensur“, „Manipulation“, „Elitenkartell“ – Populistische Narrative in der Kommunikation der französischen Gelbwesten-Bewegung im Kontext von Journalismus und Medien

Eine qualitative Inhaltsanalyse von Facebook-Nutzerkommentaren

Neongelbe Warnwesten haben sich in Frankreich zu einem Symbol von Revolte und Auflehnung entwickelt. Die „Gelbwesten“-Thematik ist seit dem Aufkommen der regierungskritischen Bewegung am 17. November 2018 von hoher gesellschaftlicher Relevanz – und das nicht nur in Frankreich. Die Bewegung könnte sich womöglich in das Phänomen des Erstarkens von populistischen Bewegungen und Parteien einreihen, das in Europa und der ganzen Welt zu beobachten ist, beispielsweise mit der AfD in Deutschland und der FPÖ in Österreich. Obwohl eine politische Einordnung zunächst schwierig schien, lassen sich aus ersten Studien und aus der Berichterstattung populistische Tendenzen der Bewegung erkennen. Unter anderem attestieren Experten und Journalisten ihr eine ausgeprägte Elitenfeindlichkeit, eine Anti-Establishment-Haltung sowie eine Glorifizierung des „Volkes“.
Die „Gelbwesten“ gelten als eine in den sozialen Medien geborene Bewegung, die Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in die erste Krise seiner Präsidentschaft stürzte. Den sozialen Netzwerken wird dabei eine essentielle Rolle beim Erstarken der Bewegung zugeschrieben. So konnte sich die Protestbewegung in Windeseile über Facebook ausbreiten und in zahlreichen Facebook-Gruppen Menschen mobilisieren, die sich dort organisierten und ihre Meinung teilten.
Angesichts der medienfeindlichen Rhetorik der Bewegung analysiert diese Forschungsarbeit, ob die Facebook-Kommunikation der „Gelbwesten“-Anhänger im Kontext von Journalismus und Medien als populistisch einzustufen ist und mit welchen Argumenten die Nutzer ihre Kritik an Regierung und Medien begründen. Hierfür wurden 7213 Nutzerkommentare einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring unterzogen, die zu einem medienkritischen Posting in einer „Gelbwesten“-Facebook-Gruppe verfasst worden waren. Fünf aus der Populismusforschung hervorgehende Kategorien populistischer Narrative wurden dabei zur Identifikation populistischer Argumentationsstruktur verwendet.
Das zentrale Ergebnis der durchgeführten Studie ist der Nachweis von populistischen Narrativen in einer überwiegenden Mehrheit der analysierten Kommentare. Ein Großteil der Nutzer sieht demnach eine Spaltung der französischen Gesellschaft, in der sich das sogenannte „Volk“ auf der einen Seite und die kritisierte „Elite“ aus Regierung und Medien gegenüberstehen. Diese Elite ist nach Ansicht der Nutzer verbunden durch gemeinsame Machenschaften wie Zensur, Korruption und Verbreitung von Falschmeldungen. Außerdem ließen sich weitere zentrale Merkmale von Populismus nachweisen, zum Beispiel die Überzeugung einer alleinigen Volkssouveränität, der Vorwurf der Volksunterdrückung durch Staat und Medien, eine „Wir gegen die“-Rhetorik, die Beschwörung von Krise und Niedergang und die Moralisierung des Diskurses durch Berufung auf demokratische Werte. Journalisten wird dabei insbesondere der Verrat demokratischer Werte vorgeworfen. Die Nutzer rufen deshalb zu einem Kampf gegen die Elite auf, zum Beispiel durch Boykott von Medien und Rundfunkgebühr oder Gewalt gegen Journalisten. Bei der Analyse wurden zahlreiche frankreichspezifische kulturhistorische und zeitgeschichtliche Verweise festgestellt, wie beispielsweise auf die Französische Revolution, die Deutsche Besatzungszeit, den Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo und den Leitspruch der Französischen Republik „liberté, égalité, fraternité“.
Das finale Ergebnis der Arbeit: In den untersuchten Kommentarspalten ist eine neue Form sogenannter „populistischer Propaganda im Social Web“ festzustellen, bei der Nutzer und nicht politische Anführer in sozialen Medien zu Multiplikatoren werden und populistische Narrative verbreiten.