Das Brexit-Referendum hat die Diskussion über die Bedeutung und die zukünftige Ausgestaltung der EU wieder angefacht. Bei derartigen Schlüsselereignissen werden in den nationalen Mediendiskursen verschiedene Deutungen der EU als einer bestimmten Art von Gemeinschaft öffentlich artikuliert. Indem Öffentlichkeitssprecher bestimmte Aspekte der Gemeinschaft betonen und andere ausblenden, versuchen sie die jeweils eigene Idee von Europa durchzusetzen. Die verschiedenen Deutungen stellen Identitätsframes dar, die mehr oder weniger strategisch zur Konstruktion einer europäischen Identität eingesetzt werden.
Diese Arbeit geht der Frage nach, welche Deutung Europas in der deutschen medialen Öffentlichkeit im Zeitraum vor und nach dem Brexit-Referendum die dominanteste war. Darüber hinaus wird untersucht, ob eine mediale Konstruktion europäischer Identität in Abgrenzung zu Großbritannien stattgefunden hat. Dazu wird die auf die EU bezogene meinungsorientierte Berichterstattung der FAZ und SZ mittels quantitativer Inhaltsanalyse untersucht.
Die Ergebnisse zeigen, dass eine weitere Vertiefung der Europäischen Union im deutschen Mediendiskurs überwiegend abgelehnt wird. Dies stellt insofern einen wichtigen Befund dar, als die Identifikation mit einer stark integrierten Gemeinschaft im deutschen Diskurs als traditionell stark gilt. Somit haben das Brexit-Referendum und dessen Ausgang das Potential, die in Deutschland vorherrschende Vorstellung von der EU umzudeuten.