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Wie häufig wird in Deutschland über staatliche Entwicklungszusammenarbeit berichtet und welche Tonalität und Frames herrschen vor?

Eine Analyse in SZ und taz über die Wahlperioden 13 bis 20

Die staatliche Entwicklungszusammenarbeit (EZ) ist von der Befürwortung der Bevölkerung abhängig, deren Kenntnisstand über das Themenfeld jedoch in der Regel gering ausfällt. Meist liegt der einzige Berührungspunkt zur EZ in der medialen Berichterstattung. Doch wie häufig wird über EZ berichtet? Wie wird der Begriff der EZ gefärbt und welche Interpretationsmuster herrschen vor?

Durch eine quantitative Erhebung und die Analyse einer Stichprobe mittels Likert-Skala werden bisherige Forschungsergebnisse bezüglich der Quantität und Tonalität der EZ-Berichterstattung ergänzt. Mittels deduktiver manuell-holistischer Framing-Analyse wird erstmalig das Ziel- und das Rollenverständnis von EZ in der deutschen Berichterstattung untersucht. Dabei erlaubt der Untersuchungszeitraum über acht Wahlperioden eine Betrachtung im Zeitverlauf, die Analyse von Trends sowie Vergleiche zwischen Wahlperioden und Minister*innenamtszeiten. Des Weiteren werden Unterschiede zwischen Meinungsbeiträgen und journalistischen Artikeln sowie zwischen den überregionalen Zeitungen SZ und taz untersucht.

Die bisherige Forschungserkenntnis der geringen Medienaufmerksamkeit für EZ wurde bestätigt. Im Zeitverlauf nahm die Anzahl der Artikel ab, die Länge der Artikel und der Anteil der Meinungsbeiträge stiegen hingegen an. Außerdem waren deutliche saisonale Effekte zu erkennen. Die Tonalität bezüglich EZ unterschied sich je Wahlperiode und je Minister*innenamtszeit. In den letzten drei Wahlperioden fiel sie eher neutral und negativ aus. Zu den am häufigsten genannten Zielen zählten die Förderung des Wohlergehens der ärmsten Bevölkerungsgruppen, die Förderung globaler öffentlicher Güter wie Frieden und Umwelt und die Stärkung der Sicherheit des Geberlandes. Die Frameverteilung unterschied sich nach Wahlperioden und zwischen SZ und taz signifikant. Bei der Untersuchung der Rollenverständnis-Frames wurde festgestellt, dass es keine signifikanten Unterschiede nach Wahlperioden, Amtszeiten, Artikeltyp oder Medium gab. Über den gesamten Untersuchungszeitraum gerechnet herrschte ein Verständnis von EZ als moralische Pflicht zur Bekämpfung armutsbedingten Leidens vor. Zudem wurde EZ oft als Mittel zur sicht- und messbaren Verbesserung von Lebensbedingungen in Partner*innenländern eingeordnet. Generell fiel auf, dass das starke Selbstverständnis als Helfer*in über die Zeit bestehen blieb. Die historische Schuld und Mitverantwortung an der Armut in Ländern des globalen Südens fand erst in der jüngeren Berichterstattung ein wenig Beachtung. Dennoch zeigte sich, dass deutsche Eigeninteressen in wirtschaftlicher oder machtstrategischer Hinsicht zunehmend offen thematisiert wurden.