Im Dezember 2018 legte das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ einen Betrugsfall im eigenen Haus offen, der den Qualitätsjournalismus in Deutschland erschüttern sollte: den Fall um den mehrfach preisgekrönten Reporter Claas Relotius, der dutzende Texte fälschte oder sogar vollständig fingierte.
Basierend auf den der Wissenssoziologie entlehnten Konzepten von Boundary Work und Paradigm Repair und eingebettet in eine Framing-Analyse, geht diese Arbeit der Frage nach, in welchen Deutungsmustern der Fall Relotius im metajournalistischen Diskurs verhandelt wurde. Untersucht wurde dafür ein Textkorpus aus 35 journalistischen Texten, die zwischen dem 19. Dezember und dem 19. Februar im „Spiegel“, der „Süddeutschen Zeitung“, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und der „Zeit“ erschienen sind. Die Auswertung der Daten erfolgte mithilfe der inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse, realisiert durch ein umfangreiches Kategoriensystem mit induktiv-deduktiver Kategorienanwendung.
Die zentralen Ergebnisse der Arbeit sind sechs Medien-Frames: der „Krisen-Frame“, der „Keiner-von-Uns-Frame“, der „Einzelfall-Frame“, der „Entlastung-Frame“, der „Legitimitäts-Frame“ und der „Handlungsframe“. Zusammengefasst zeigen die Befunde, dass es von Seiten der journalistischen Community die Tendenz gab, sich einerseits vehement vom „Betrüger“ Class Relotius zu distanzieren und andererseits die eigene journalistische Unbescholtenheit und Legitimation zu betonen. Interessant ist außerdem, dass der Fälschungsskandal nahezu einstimmig von der Selbstdiagnose einer Krise dominiert wurde. Diese Befunde gliedern sich ein in musterhafte Abgrenzungsmechansimen und Reparaturstrategien der journalistischen Community, die schon bei vergangenen Betrugsfällen beobachtet werden konnten.