Mehr als 500 Journalistenpreise werden laut Informationsdienst Wissenschaft im deutschsprachigen Raum verliehen. In der Branche gelten sie als Gradmesser von journalistischer Qualität, die darüber entscheiden, was als vorbildlich gilt und was nicht. Das Genre der Reportage rangiert dabei als „Königsdisziplin“. Als Teil eines Qualitätsdiskurses blieben Journalistenpreise von der bisherigen Forschung allerdings wenig beachtet.
Ziel dieser Master-Arbeit war es also, der Frage, wie Journalistenpreise verhandeln, was als journalistische Qualität gilt, ein empirisches Fundament zu verschaffen: Wird die Wahl durch eine Reihe von konkreten Qualitätskriterien begründet, die sich auf ein bestimmtes Verständnis des eigenen Berufsstands zurückführen lässt? Unterscheiden sich Preisjurys in ihren Bewertungen? Verändern sich die Urteile im Laufe der Zeit? Reagieren sie auf externe Einflüsse? Wiegt die Form der Texte schwerer als ihr Inhalt?
Zu diesem Zweck wurden nicht etwa die ausgezeichneten Texte selbst einer Untersuchung unterzogen, sondern die Urteile der Jurys, welche die Auszeichnungen vergeben. Über den Zeitraum 2009 bis 2018 wurde mit Fokus auf die Kategorie „Reportage“ ein Vergleich angestellt zwischen dem „Nannen Preis“, dem „Reporterpreis“ und der Auszeichnung „Journalist des Jahres“. Die Auswertung der Analyseeinheiten erfolgte mithilfe der formal strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring.
Es konnte gezeigt werden, dass Preisjuroren den zu bewertenden Reportagen in einer Doppelrolle begegnen. Einerseits als in die Produktionsabläufe eingeweihte Praktiker und andererseits in der Rolle der kundigen Rezipienten. Qualität ist also eine soziale Zuschreibung, quantifiziert in evidenten Kriterien. Diese basieren zwar auf Normen, bleiben aber meist implizit, weshalb das Urteil vielmehr vom Gegenstand abhängt, auf den es sich bezieht. Trotz ihrer ständigen diskursiven Aushandlung bleiben Qualitätsstandards im Untersuchungszeitraum stabil. Die preiswürdige Reportage wird sowohl über formale Kriterien definiert als auch über die Wirkung, die sie durch vorbildhafte Anwendung dieser formalen Kriterien erzeugt. Journalistenpreise sind folglich nicht selbstreferenzielle Ereignisse, sondern konstitutiv für das Verständnis der Logik des journalistischen Felds und die Definition journalistischer Qualität.