transfer 25(1) » Sonstiges

Populismus und Meinungsfreiheit

Der Einfluss von Populismus-affinen Einstellungen auf die Wahrnehmung des öffentlichen Diskurses in Deutschland

Das ambivalente Verhältnis von Populismus zu öffentlichem Diskurs und Meinungsfreiheit wurde in der bisherigen Literatur vielfach diskutiert. Im Theorieteil meiner Arbeit habe ich die bisherige Literatur dazu systematisiert, indem ich Grundelemente des Populismus ins Verhältnis zu Merkmalen des öffentlichen Diskurses setze. So sehen populistische Akteure öffentliche Diskurse etwa einerseits als Plattform, um sich und ihre Forderungen als Volkswillen zu inszenieren. Andererseits stehen Diskursnormen wie Pluralismus häufig im Widerspruch zur populistischen Annahme eines homogenen Volkswillens. Auch beim Thema Meinungsfreiheit lassen sich diese Widersprüche erkennen: Populistische Akteure pochen auf Meinungsfreiheit, um Tabubrüche zu rechtfertigen, während Kritik an ihnen selbst wiederum als illegitimer Angriff auf das Volk interpretiert wird.
Diese Zusammenhänge wurden in der Literatur bisher meist anhand anekdotischer Beispiele diskutiert. Empirische Evidenzen dazu fehlen hingegen weitestgehend. Im empirischen Teil meiner Arbeit habe ich daher überprüft, wie populistische Voreinstellungen die Wahrnehmung der Meinungsfreiheit prägen. Dazu habe ich auf Survey-Daten zurückgegriffen, die am Institut im Rahmen eines Seminars erhoben wurden. Unter anderem gaben Befragte an, wie eingeschränkt in ihren Augen die Meinungsfreiheit ist. In meinen Analysen habe ich Deprivation, Politikverdrossenheit und AfD-Wahl als Proxy-Variablen für populistische Voreinstellungen verwendet, da für alle drei in anderen Analysen eine Korrelation mit populistischen Einstellungen nachgewiesen wurde.
Die Regressionsanalysen zeigen, dass depriviertere Personen und Personen, die AfD wählen, die Meinungsfreiheit eher als eingeschränkt. Für Politikverdrossenheit konnte kein solch linearer Effekt nachgewiesen werden. In einem zweiten Schritt habe ich geprüft, wie sich diese Effekte je nach Medienkonsum und Informationsverhalten verändern. Dabei zeigt sich: AfD-Wahl macht vor allem einen Unterschied, wenn Personen wenig alternative Medien konsumieren oder sich weniger mit dem Thema Meinungsfreiheit beschäftigen. Dies deutet darauf hin, dass weniger informierte Personen sich bei der Einordnung von Themen stärker auf die AfD verlassen. Dieser Fund ist insbesondere interessant vor dem Hintergrund, dass Personen mit populistischen Voreinstellungen medienskeptischer sind. Welche Rolle Parteikommunikation für Personen mit Populismus-affinen Einstellungen spielt, könnte daher eine weitere interessante Frage sein, um die Beziehung von Populismus und öffentlichem Diskurs besser zu verstehen.