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„My baby was a Nazi schatze“

Über die Verwendung von NS-Symbolen durch jüdische und nichtjüdische Punks in den USA, England und Deutschland zwischen 1975 und 1979

In der Anfangsphase des Punk, also zwischen 1975 und 1979, verwendeten viele Akteur*innen dieser Subkultur NS-Symboliken und -Anspielungen, sei es im Rahmen ihrer Kleidung oder innerhalb von Liedtexten. Durch eine Untersuchung von Fotos, Songtexten, Interviews und Fanzine-Artikeln auf Grundlage einer durch Methoden der Semiotik und Subkultur-Forschung angeleiteten Analyse, wird in dieser Studie herausgearbeitet, wie und warum Punks nationalsozialistische Referenzen nutzten. Dabei handelte es sich nicht um ein lokal begrenztes Phänomen, da sich Punk schnell über die westliche(n) Kultur(en) ausbreitete. So finden sich Verweise auf NS-Symboliken auf internationaler Ebene, unter anderem in den USA, in England und in Deutschland. Eine weitere Unterscheidung wird bei der Analyse in der Nutzung durch jüdische und nichtjüdische Punks getroffen; vor allem in den USA ist der Anteil der jüdischen Punk-Akteur*innen sehr hoch. Dabei stellt sich die Frage, weshalb gerade die Opfer der Nationalsozialist*innen deren Symbole aufgreifen.

Es zeigt sich, dass es letztlich Provokation und das bewusste Auslösen eines Schockzustandes waren, die sich als die häufigsten Gründe für die Verwendung von NS-Symboliken ausmachen lassen – sowohl bei jüdischen als auch bei nichtjüdischen Punks. Für die jüdischen Punks in den USA können außerdem noch Humor und das Konzept des „camp“, Rebellion, Stolz und Scham sowie Holocaust und Trauma als Anreize zur Verwendung identifiziert werden. In England ist ebenfalls das Moment der Rebellion zu finden. Die englischen Jugendlichen rebellieren gegen den wirtschaftlichen Verfall, den das Ende des Zweiten Weltkrieges mit sich gebracht hat und auch gegen ihre Eltern, die trotz dieser Umstände weiterhin den Sieg über Hitler-Deutschland glorifizieren. Auch die deutschen Jugendlichen, die Nachkommen der Täter*innen, rebellieren, vor allem gegen die Verdrängungskultur, die in den 1970er-Jahren bereits wieder eingesetzt hat. Befeuert durch ihre nihilistische und zunächst unpolitische Einstellung, kann den wenigsten Akteur*innen konkreter Antisemitismus vorgeworfen werden, obwohl die Verhandlung von NS-Thematiken in der populären Musik durchaus kritisch zu betrachten ist – damals wie heute.