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Karl Bücher (1847-1930): Der Reformer der Zeitungspraxis

Eine ideen- und theoriegeschichtliche Untersuchung der Entwicklung ethisch-normativer Positionen der Zeitungskunde

Die Kommunikationswissenschaft des 21. Jahrhunderts vergisst allzu oft die Wurzeln ihrer eigenen Entstehung. Es ist der Nationalökonom Karl Bücher, der den von Erich Everth 1926 besetzten ersten Lehrstuhl für Zeitungswissenschaft in Deutschland an der Universität Leipzig begründet. Seine Institutsgründung 1916 und die bereits Ende des 19. Jahrhunderts gehaltenen Vorlesungen zum Zeitungswesen sowie die ab ca. 1912 erscheinenden zeitungskundlichen Aufsätze legen einen wichtigen Grundstein für die Institutionalisierung des Faches und für eine öffentliche Auseinandersetzung mit Massenpresse, Kulturverfall und Sozialreformen. Die Verbindung der nationalökonomischen Denkperspektive und Büchers ethisch-normativ geprägten Überlegungen zur Rolle des Journalisten in der Gesellschaft ist somit wichtiger Bestandteil in der Wissenschaftsgeschichte der sich konstituierenden Zeitungswissenschaft.
Die Arbeit setzt sich mit drei Aspekten auseinander: erstens mit den Anfängen kommunikationswissenschaftlicher Methoden und Theorien sowie den ersten Untersuchungen zur Struktur der Presse; zweitens mit der Genese einer neuen Wissenschaft; und drittens mit der intellektuellen Entwicklung einer theoretischen Position eines namhaften Vertreters der beginnenden Zeitungswissenschaft sowie mit dessen Werten, Normen und Denkmotiven: Karl Bücher.