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Journalismus in Bolivien

Eine Analyse der aktuellen Lage des bolivianischen Mediensystems

Das Ziel dieser Arbeit ist die Analyse der aktuellen Lage des bolivianischen Mediensystems. Dazu wird die folgende Forschungsfrage gestellt: Wie haben sich die Rahmenbedingungen für Journalist*innen vor und im Zuge der politischen Krise 2019 verändert? Um diese Frage zu beantworten, wurden, aufbauend auf einer tiefgehenden Literaturrecherche zur politischen Geschichte Boliviens und des Mediensystems in seiner vergangenen Ausprägung, qualitative Leitfadeninterviews mit bolivianischen Medienexpert*innen und Journalist*innen durchgeführt. Die Auswertung der Interviews ergibt, dass das bolivianische Mediensystem hochgradig politisiert ist. Die Lage des Journalismus hat sich im Zuge der politischen Krise im Herbst 2019 verschlechtert, sah sich aber bereits in der langen Amtszeit von Evo Morales zunehmenden Restriktionen und Finanzierungsproblemen gegenüber. Sowohl die Journalist*innen selbst als auch die Medienhäuser haben mit einer ökonomischen Prekarisierung zu kämpfen, was sich durch die weltweite Corona-Pandemie weiter verschärft hat. Die Sicherheitslage von Journalist*innen gestaltet sich schwierig, da in den letzten Jahren der politische Druck auf Medienschaffende stark zugenommen hat. Dies hat sich nach den Ereignissen im Herbst 2019 in Form von körperlichen und verbalen Angriffen gegen Journalist*innen umso deutlicher gezeigt. Der „Lügenpresse“-Vorwurf ist laut. Des Weiteren ist Selbstzensur ein weitreichendes Problem im bolivianischen Journalismus. Dies beeinträchtigt die Unabhängigkeit der Berichterstattung in hohem Maße, ebenso wie die starke Polarisierung der Gesellschaft. In Bezug auf die Medienverantwortung sind die vorhandenen Institutionen zur Autoregulation der Medien in Bolivien nicht ausreichend handlungsfähig. Die Partizipationsmöglichkeiten des Publikums steigen unterdessen. Diese und weitere Aspekte werden in dieser Arbeit untersucht und bieten damit eine Grundlage für die weitere Forschung auf diesem Themengebiet, etwa zum Einfluss einer möglichen politisch instrumentalisierten Berichterstattung auf die Haltung der Bolivianer*innen zu der rechten Übergangsregierung.