Die Tagebücher des jüdischen Romanciers V. Klemperer gelten als historische Dokumente, weil sie es vermögen, die Wirklichkeit der NS-Diktatur auf „authentischste und fassbarste Weise“ mitzuteilen. Das Wesen dieser Wirklichkeit ist für ihn Ausgrenzung, deren Realität weder an eine rassistische Gesetzgebung noch an Gräueltaten gebunden ist. Es ist die alltägliche Interaktion, etwa der small-talk auf der Straße oder die Unterhaltung in vertrauter Gesellschaft, berufliche Alltagserfahrungen, die sich manifest verändert.
Ausgrenzung in diesem Sinne ist eng an Identität, Gesellschaft, Wirklichkeit gebunden. Diese wiederum haben in den Überlegungen u.a. von Mead, Schütz, Berger, Luckmann, Goffman eine gemeinsame Determinante: interpersonale Kommunikation. Alltägliche zwischenmenschliche Kommunikation kann demnach helfen, die individuelle und gesellschaftliche Wirklichkeit von Ausgrenzungsprozessen greifbar zu machen.
In dieser Arbeit wird zunächst ein theoretisches, empirisch tragfähiges Konzept von Identität und deren Beschädigung in Ausgrenzungsprozessen erarbeitet und im kommunikationswissenschaftlichen Diskurs verortet. Schließlich werden die relevanten Phänomene in einem Analysebogen organisiert und mit dessen Hilfe die Tagebücher Klemperers analysiert.
Ein Ergebnis: Isolation ist zumeist das Resultat verschiedener, kleiner, eher privater als öffentlicher Verhaltensweisen und damit zeitlich und qualitativ anders strukturiert, als es die bekannten Zusammenstellungen von Gesetzeserlassen und polizeilichen Schikanierungen nahe legen.
Interpersonale Kommunikation und Identität: Ausgrenzung als Beschädigung der Interaktion
Eine interdisziplinäre Untersuchung der Tagebücher Victor Klemperers