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Haltungskommunikation in Krisenzeiten

Eine empirische Untersuchung der Onlinekommunikation ausgewählter DAX-Unternehmen während des Ukraine-Krieges

In den letzten Jahren folgte globale Krise auf globale Krise: Die Weltfinanzkrise, die Klimakrise, die COVID-19-Pandemie, die steigende Inflation und in den letzten Monaten die russische Invasion in der Ukraine. Diese Themen betreffen nicht nur die Gesellschaft, sondern auch Unternehmen, von denen eine Stellungnahme zu gesellschaftspolitischen Themen erwartet wird. Für Unternehmen ist es ausschlaggebend, auf diese Erwartungen einzugehen und somit ihren wirtschaftlichen und sozialen Verantwortungen gegenüber der Öffentlichkeit gerecht zu werden. Daher müssen sich Unternehmen besonders in Krisenzeiten ihrer Kommunikation bewusst sein und eine klare Haltung zeigen.

Die Haltungskommunikation als Teil der Public Relations wird trotz der gesellschaftlichen Forderung danach kaum in der Forschung behandelt. Die Arbeit erörtert die Kriterien der Haltungskommunikation sowie ihre Notwendigkeit anhand von ethischen Gütekriterien der Public Relations, der Stakeholder-Theorie, der Corporate Social Responsibility sowie Konzepten der Online- und Krisenkommunikation.
Im Anschluss analysiert eine quantitative und qualitative Inhaltsanalyse der Twitter- und LinkedIn-Beiträge von vier DAX-Unternehmen die Umsetzung der Haltungskommunikation in Krisenzeiten. Hierfür fand eine Vollerhebung der Beiträge auf den jeweils offiziellen Unternehmens- und Geschäftsführer-Accounts der gewählten Unternehmen während der ersten sechs Monate des Ukraine-Krieges statt.

Die 88 analysierten Beiträge bestätigen die Umsetzung einer Haltungskommunikation auf der Basis ethischer Konzepte und verdeutlichen die Übernahme sozialer Verantwortung. Zusätzlich wird die in den sozialen Medien herrschende Macht von Stakeholdern sowie deren Krisenpotenzial bestätigt.
Großunternehmen richten ihre Kommunikation in gesellschaftspolitischen Krisen nach politischen Anforderungen aus und werden den Erwartungshaltungen ihrer Stakeholder gerecht. Besonders in Bezug auf ihre Mitarbeiter*innen beweisen die Unternehmen ein proaktives Befassen mit den Bedürfnissen ihrer Stakeholder und dem Bewusstsein über die eigene philanthropische und ethische Verantwortung. Trotz der deutlichen Positionierung gegen den Krieg gibt es Unternehmen, die sich erst nach öffentlicher Kritik an ihnen gegen den Krieg positionieren. Dies bestätigt somit die Macht, die Stakeholder in ihren Aufforderungen gegenüber Unternehmen haben.

Daher wird Unternehmen empfohlen, sich der eigenen Haltung durchgehend bewusst zu sein und diese frühzeitig zu kommunizieren, um negativen Narrativen vorzubeugen. Zu Beginn von Krisen setzen Unternehmen auf Informationsstrategien und Emotionalität, kommunizieren dann im Verlauf der Krise zunehmend interaktiver und neutraler, wobei die Interaktionszahlen der Beiträge abnehmen. Dabei wird LinkedIn im Vergleich zu Twitter von Geschäftsführern bevorzugt und für einen intensiven Austausch mit primären Stakeholdern genutzt.